Nordkorea und die Zukunft des Atomwaffensperrvertrages

Für jeden, der für eine atomwaffenfreie Welt und nukleare
Abrüstung eintritt, ist der nordkoreanische Atomtest ein
Schlag ins Kontor. Er stellt einen Schritt in die Gegenrichtung
dar: Die Gefahr, dass ein neuer atomarer Rüstungswettlauf
in Gang gesetzt wird, ist real. Der 9.Oktober hat die Welt von
dem großen Ziel weiter entfernt.

 

Um realpolitische Wege aus der Gefahr zu finden, kann man bei
der bitteren Erkenntnis nicht stehen bleiben. Immer und immer
wieder muss man nach neuen Ansätzen suchen, auch wenn die
Ausgangslage schlechter geworden ist. In der Krise liegt auch
immer Chancen:

 

Schlagartig ist vielen Menschen in der Welt mit dem nordkoreanischen
Atomtest wieder ins Bewusstsein gerückt, dass wir nach wie
vor im Atomzeitalter leben und die Atomwaffen das Überleben
der Menschheit nach wie vor bedrohen. Das birgt global die Chance,
dass wieder mehr Menschen friedenspolitisch aktiv werden.

 

Zu den sieben erklärten Atommächten (USA, Russland,
China, Frankreich, Britannien, Indien und Pakistan) und der einen
nicht-erklärten Atommacht (Israel) ist mit Nordkorea die
neunte Atommacht getreten, auch wenn diese noch einige Jahre
benötigen dürfte, um ein gewisses Atomwaffenarsenal
aufzubauen. Darin liegt natürlich noch die Chance, den Prozess
aufzuhalten und wieder umzukehren. Wir sollten nicht vergessen,
dass es in den vergangenen 15 Jahren auch verantwortungsvolle
Staatsführungen gab, die die atomare Bewaffnung aufgegeben
haben (Südafrika) oder zumindest die auf ihrem Territorium
gelagerten ehemaligen sowjetischen Atomwaffen Russland übertragen
und damit auf den eigenen Atommachtstatus verzichtet haben (Kasachstan
und Ukraine). Die Möglichkeit, dass Nordkorea wieder auf
Atomwaffen verzichtet, ist prinzipiell gegeben. Ob sie genutzt
werden kann, hängt aber in großem Maße von den
anderen internationalen Kräften ab.

 

Krise des Atomwaffensperrvertrags

 

Spätestens seit der gescheiterten NVV -Konferenz 2005,
bei der sich die Teilnehmerstaaten auf kein substantielles Abschlussdokument
verständigen konnten, ist das NVV-Regime unumstritten in
der Krise. Es wird nur noch darüber gestritten, wie „ernst…
die Krise“ ist.

 

Das entscheidende Problem: die Nicht-Bereitschaft der 5 NVV-Atommächte,
ihrer Verpflichtung zur atomaren Abrüstung aus dem NVV nachzukommen.
Insofern verhalten diese sich bereits über einen längeren
Zeitraum vertragsbrüchig, spätestens seit 1995, als
der NVV unbegrenzt verlängert wurde. Einige derjenigen,
die die unbegrenzte Dauer seinerzeit vehement befürworteten,
räumen nunmehr ein: „In der Rückschau muss auch
ich… bekennen, dass das ein Fehler war. Die Kritiker haben
Recht gehabt…“

 

Hinzukommt, dass die USA als Atommacht Nr.1 neue Atomwaffen
entwickeln und an einer neuen Nukleardoktrin feilen, die den
Atomwaffen eine stärkere operative Rolle zuweist. In dem
2005 veröffentlichten Pentagon-Entwurf werden Szenarien
ausgebreitet, die die Androhung und den „Einsatz von Kernwaffen
in jedem konventionellen Konflikt rechtfertigen… Die neue Doktrin
ordnet die Nuklearwaffen in eine Gesamtstrategie ein, die Prävention
und Präemption ausdrücklich als Optionen vorsieht.
Sie enthält die Möglichkeit, dass der amerikanische
Präsident den Ersteinsatz von Kernwaffen in einem Krieg
befiehlt, den die USA – wie den Irakkrieg von 2003 – ohne
Mandat der VN, ohne zwingenden Grund der Selbstverteidigung und
unter falschen Voraussetzungen selbst initiiert haben, falls
die Entwicklungen auf dem Schlachtfeld nicht wunschgemäß verlaufen“ .
Damit sind die ursprünglichen Sicherheitsgarantien aus dem
NVV einmal mehr ausgehebelt, denn es wird „keine Rücksicht
auf die Vertragszugehörigkeiten oder Vertragstreue des jeweiligen
Gegners“ genommen. „Der erhoffte Sicherheitsgewinn,
den die Nichtkernwaffenstaaten aus ihrem Vertragsbeitritt zu
ziehen hofften, ist somit gegenstandslos geworden.“

 

Für die Nicht-Atomwaffen-Staaten mag die Schlussfolgerung
nahe liegen, man brauche sich nun seinerseits auch nicht mehr
an den Vertrag halten. Etwa 40 Staaten, darunter Deutschland,
könnten dem Taten Folgen lassen und wären in der Lage,
binnen kürzester Zeit Atomwaffenstaat zu werden. Allerdings
ist bisher kein entsprechender Vorstoß bzw. Verstoß eines
NVV-Vertragsunterzeichners bekannt geworden.

 

Einige Staaten wie Indien sind dem NVV nie beigetreten und verstoßen
mit ihrer Atombewaffnung entsprechend auch nicht gegen einen
selbst unterzeichneten Vertrag. Ähnliches nimmt Nordkorea
für sich in Anspruch, denn es hat den NVV 2002 verlassen.

 

Nicht viel anders verhielt sich die US-Regierung, als sie mit
Indien im März 2006 einen Atomvertrag abschlossen, ohne
die NVV-Mitgliedsstaaten darüber informiert zu haben. Die
US-Regierung hat den NVV offensichtlich selbst ad acta gelegt
und ist dazu übergegangen, die atomaren Konfliktherde unilateral
zu bearbeiten. Es zeigt sich, dass „zwischen akzeptabler
Proliferation – wenn es befreundete Staaten betrifft – und
inakzeptabler Proliferation – wenn es sich um Länder
der … ‚Schurkenliste’ handelt“ – unterschieden
wird. Vor diesem Hintergrund weist die US-Kritik an dem nordkoreanischen
Atomtest ein hohes Glaubwürdigkeitsdefizit auf. Der Bezug
auf den NVV seitens der US-Regierung ist offensichtlich rein
taktischer Natur.

 

Die Lage von Nordkorea

 

Die Nichtverbreitung von Atomwaffen sicherzustellen war natürlich
nie Richtschnur der nordkoreanischen Politik. Immerhin hatte
sich Nordkorea 1985 bereit gefunden, dem NVV beizutreten. Nachdem
1991 die landgestützten US-Atomwaffen aus Südkorea
abgezogen worden waren, unterzeichnete Nordkorea auch das Verifikationsabkommen,
das die Kontrolle durch die IAEO regelt. Pjöngjang gedachte
von der „zivilen“ Nutzung der Atomenergie zu profitieren
und baute AKWs. Bekanntermaßen liefern AKWs zweierlei:
Erstens Energie und zweitens das Know-how, um Atomwaffen zu bauen.
Anfang der 90er Jahre verstärkten sich die Verdachtsmomente,
dass in den zwei Reaktoren Plutonium für die Atomwaffenproduktion
abgezweigt wurde. Die Situation eskalierte, konnte aber durch
einen konstruktiven Umgang der Clintion-Regierung entschärft
werden. Im Abkommen von 1994 wurden vier Punkte geregelt:

 

1.

 

Nordkorea friert sein Atomprogramm ein.

 

2.

 

Die USA liefern bis 2003 zwei Leichtwasserreaktoren,
mit denen kein Plutonium gewonnen werden kann. Diese sollten
die geplanten weiteren nordkoreanischenseiAtommeiler ersetzen,
aus denen weiteres Plutonium hätte gewonnen werden
können. 
3.

 

In der Zwischenzeit (also 1994-2003) liefern die USA
500.000 t Öl p.a., um die Energieversorgung zu sichern. 
4.

 

Die USA verzichten auf die Androhung oder den Einsatz
von Atomwaffen gegen Nordkorea. 

Während Nordkorea seiner Verpflichtung mehrere Jahre nachkam,
lieferten die USA zwar das Öl, aber die ersten Vorbereitungen
für den Bau der versprochenen Reaktoren begannen 2002 (!),
also mit 8 Jahren Verspätung. Mit der Fertigstellung war
entsprechend frühestens 2010 zu rechnen. Auf den Verzicht
verzichteten die US-Regierungen ganz.

 

Im November 2002 behauptete der stellvertretende US-Außenminister
sodann, Nordkorea hätte ihm gegenüber ein geheimes
Atomwaffenprogramm zugegeben. Entsprechend sah man in Washington
gute Gründe, die Zusagen aus dem Abkommen von 1994 weiterhin
nicht umzusetzen. Auch Öl wurde nun nicht mehr geliefert.

 

Am 9.Januar 2003 kündigte Nordkorea seine Mitgliedschaft
im Atomwaffensperrvertrag und setzt seitdem sein Atomprogramm
fort, ohne dass IAEO-Inspekteure noch kontrollieren dürfen.
Die völkerrechtliche Bedeutung dieses Schritts ist umstritten:
Einerseits sieht der Vertragstext glasklar vor, das ein Mitgliedsstaat
den Vertrag mit dreimonatiger Kündigungsfrist verlassen
kann. Andererseits machen einige Vertragsstaaten, darunter Deutschland,
Formfehler geltend: Nordkorea habe seine Kündigung nur den
5 NVV-Atommächten angezeigt, aber nicht den anderen Vertragsstaaten.
Die NVV-Überprüfungskonferenz 2005 kam jedoch an diesem
Punkt zu keiner gemeinsamen Einschätzung.

 

Im September 2005 führten die inzwischen aufgenommenen
Sechsländergespräche (China, Russland, Südkorea,
Japan, Nordkorea und USA) zu einem Abkommen, das Nordkorea u.a.
Energielieferungen und die Perspektive eines „zivilen“ Atomprogramms
eröffnete. Das war für Nordkorea weniger als 1994 vereinbart.
Trotzdem stimmte die US-Regierung nur unter zwei Bedingungen
zu: „Die nukleare Abrüstung sollte vorrangig sein,
und man wollte hierzu eine unilaterale Erklärung am Ende
der Verhandlungen abgeben.“ In dieser formulierte die US-Regierung
als Vorbedingung für die Diskussion (!) über die Lieferung
von Leichtwasserreaktoren eine nicht näher definierte dauerhafte
Erfüllung der nordkoreanischen Abrüstungsverpflichtung.
Nordkorea sah sich natürlich ein weiteres Mal veralbert
und rückte von dem Abkommen ab. Z.B. wurden Schadenersatzzahlungen
für von den USA nicht erbrachte Leistungen aus dem Abkommen
von 1994 ins Gespräch gebracht.

 

Natürlich dachten die USA nicht im Traum daran, solchen
Forderungen nachzukommen. Sie zogen stattdessen unilateral die ökonomischen
Daumenschrauben an: Nordkorea wurde der Fälschung von Dollarnoten
bezichtigt und im Herbst 2005 ein nordkoreanischen Firmen gehörender
Betrag in Höhe von 24 Mio. US-Dollar eingefroren. Legt man
den realen Umtauschkurs zugrunde, ist die Dimension des ökonomischen
Schadens auf ca. 20% des nordkoreanischen Haushalts zu beziffern.
Beweise legten die USA wie üblich den anderen internationalen
Akteure (wie Russland) bisher nicht vor. US-Parteigänger
wie der deutsche Journalist Theo Sommer sehen auch so „das
Regime … der in großem Stil geübten Verbreitung
von Falschgeld überführt“

 

So ökonomisch in die Enge getrieben, ideologisch als „Schurkenstaat“ auf
der „Achse des Bösen“ verortet und von der militärischen
Supermacht USA mit Präemptiv- und Präventivschlägen
bedroht, erklärte sich Nordkorea zur Atommacht und unternahm
am 9.Oktober 2006 seinen ersten Atomtest. Denn aus den letzten
von den westlichen Staaten organisierten Angriffskriegen gegen
Jugoslawien und Irak wird nicht nur in Pjöngjang die Schlussfolgerung
gezogen, dass nur Atomwaffen gegen solche Angriffskriege schützen
können. Dies hat insbesondere im Fall Nordkorea auch damit
zu tun, dass keine wirtschaftliche Macht (z.B. Erdöl) oder
auch sogenannte Soft Power („sanfte Macht“), also
ideologische oder kulturelle Ausstrahlung in die Waagschale geworfen
werden können. Während in der Zeit des Vietnam-Krieges
in den westlichen Länder Millionen auf den Straßen
Ho-Ho-Ho-Chi-Min skandierten, hält sich die Fangemeinde
für das nordkoreanische Gesellschaftsmodell weltweit in überschaubaren
Grenzen.

 

Die internationale Reaktion auf den Atomtest

 

Als „einfach hysterisch“ charakterisiert Jürgen
Rose im FREITAG vom 20.10.06 die internationalen Reaktionen,
insbesondere aus den USA. Diesen gelang es, eine scharfe Resolution
im Sicherheitsrat durchzusetzen, die von Nordkorea verlangt, „keinen
weiteren Nuklearversuch oder Start eines ballistischen Flugkörpers“ vorzunehmen,
sich wieder dem NVV anzuschließen und sich dessen Kontrollregime
zu unterwerfen.

 

Die Resolution charakterisiert den Atomtest als „klare
Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“.
Aber es werden (noch) keine militärischen Maßnahmen
ergriffen. Allerdings wird damit gedroht, „dass weitere
Entscheidungen erforderlich sein werden, falls sich zusätzliche
Maßnahmen als notwendig erweisen“. Dabei ist zu hoffen,
dass hiermit UN- und nicht US-Entscheidungen gemeint sind.

 

Der Sicherheitsrat zielt aktuell auf eine ökonomische und
finanzielle Strangulierung Nordkoreas. Verständlicherweise
soll jeglicher Waffenhandel mit Nordkorea unterbunden werden.
Darüber hinaus sind alle UN-Mitgliedsstaaten angehalten,
in ihrem Hoheitsgebiet nordkoreanische Gelder, andere Vermögenswerte
und wirtschaftliche Ressourcen einzufrieren. Als Druckmittel
zur Einhaltung der Resolution wurde ein Komitee aus den 15 Sicherheitsratsmitgliedern
eingesetzt, die alle 90 Tage einen Report vorlegen sollen. Der
erste wäre Anfang Januar 2007 fällig.

 

Die Bundesregierung hat sich voll hinter den US-Kurs gestellt.
Außenminister Steinmeier behauptete am 19.10. im Bundestag,
dass „Nordkorea … nicht nur den Frieden in der Region
gefährdet, sondern … der Welt geradezu einen neuen nuklearen
Rüstungswettlauf aufzuzwingen versucht.“ Das ist natürlich
Unfug: Die Intention Nordkoreas besteht darin, das sich durch
das eigene Atomprogramm gegen eine Militärintervention insbesondere
der USA zu schützen. Warum sollte Nordkorea bei seinen bescheidenen
Möglichkeiten einen nuklearen Rüstungswettlauf beabsichtigen?

 

Die deutsche Außenpolitik gibt sich an dieser Stelle autistisch
und macht sich nicht die Mühe, sich auch nur für eine
Sekunde in die Perspektive der anderen hineinzuversetzen. Auch
die Kenntnis geschichtlicher Zusammenhänge würde helfen:
Die Bedrohungswahrnehmung in Nordkorea stützt sich schließlich
nicht nur auf Angriffskriege der letzten Zeit (z.B. gegen den
Irak 2003). Die Opfer der mörderischen Bombardements der
US-Luftwaffe im Koreakrieg sind vielleicht vor Ort noch nicht
vergessen. Und für das Ansehen der UNO in Nordkorea ist
sicher nicht von Vorteil, dass die US-Truppen damals mit dem
Segen der UNO Krieg führen durften.

 

Diese Kritik an der deutschen Außenpolitik auszusprechen,
ist wichtig, weil daran deutlich wird, dass dem deutschen außenpolitischem
Personal zur Zeit entscheidende Basisvoraussetzungen für
Vermittlungstätigkeiten in Konflikten fehlen, auch in Nordkorea,
wo Deutschland keine relevanten Eigeninteressen verfolgt.

 

Lösungsansätze für den Korea-Konflikt

 

Konstruktive Lösungsansätze müssen jedoch die
Bedrohung Nordkoreas zur Kenntnis nehmen, diese ist real und
nicht zusammenfantasiert: Schließlich sind in Südkorea
immer noch 37.000 US-Soldaten stationiert, außerdem sind
seegestützte US-Atomwaffen in den koreanischen Gewässern
unterwegs. Nicht zufällig wurde bei allen Verhandlungen
der letzten 15 Jahre über Nicht-Angriffs-Garantien der USA
gesprochen.

 

Destruktive Lösungsansätze ignorieren diesen Aspekt.
Stattdessen plädieren US-Hardliner im Selbstverständnis
als internationale Erziehungsberechtigte für Nordkorea für
härteste Strafmaßnahmen, bis hin zu militärischen.
Dabei haben sie nicht nur Militärschläge im Auge, sondern
auch strukturelle Aufrüstungsmaßnahmen. David Frum,
früherer Redenschreiber von Bush, forderte in der New York
Times „eine Einladung an Australien, Japan und Südkorea
zum Nato-Beitritt und die nukleare Aufrüstung Japans“ .
Hier soll die „Gunst der Stunde“ für die schon
länger in NATO-Kreisen diskutierte NATO-Ostasien-Erweiterung
genutzt werden . Und wer gegen mehr Atommächte im eigenen
Lager nichts einzuwenden, propagiert selektive Proliferation.
Hier wird der Zerfall des NVV aktiv betrieben und ein nuklearer
Rüstungswettlauf in Gang gesetzt.

 

Konstruktive Vermittlungsansätze mahnen zu direkten Verhandlungen.
So auch Ex-Außenminister Fischer: „Die USA werden
also reden müssen, auch direkt und bilateral, wenn es sein
muss. Und es muss wohl sein.“ Auch die Nachbarländer
Russland, China und Südkorea scheinen trotz der Zustimmung
zu der scharfen UN-Resolution noch kühlen Kopf zu bewahren
und die Lage nicht weiter verschärfen zu wollen. Die chinesischen
und südkoreanischen Wirtschaftshilfen werden trotz heftiger
innenpolitischer Opposition offenbar erst einmal weitergeführt,
der Diplomatie wird weiter eine Chance gegeben.

 

Vielleicht ist es auch eine gute Entscheidung, dass der neue
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ein Koreaner ist, der die
Entspannungspolitik Südkoreas mehrere Jahre aktiv betrieben
hat. Die pessimistische Einschätzung, dass diesem als „Südkoreaner
… die Hände gebunden“ seien, weil er „als
neutrale third party … kaum infrage“ käme, wird
sich hoffentlich nicht bewahrheiten.

 

Wege zu wirklicher Nicht-Verbreitung

 

Ansatzpunkt für die Rettung des NVV ist die Umsetzung der
Abrüstungsverpflichtungen der Atommächte. Die nuklearen
Habenichtse wollen Taten sehen, sonst wird es keine Fortschritte
geben. Insofern ist Ex-Außenminister Fischers Ruf nach „neuen
Abrüstungsverpflichtungen“ zu kurz gesprungen. Harald
Müller von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
hat dagegen einen radikalen Vorschlag zur Hand, wie den Atommächten
Beine gemacht werden könnte: „Um wieder Verhandlungsmacht
zu gewinnen, bliebe den Nichtkernwaffenstaaten nur ein heikles
Manöver: die (offene oder verdeckte) Drohung mit dem kollektiven
Vertragsaustritt.“

 

Wie viele andere ist Fischers Lösungsansatz: Zugeständnisse
in Sachen zivile Atomenergie machen. Dazu zählen „der
nicht diskriminierende Zugang zu Know-how, Forschung und Technologie.
Dazu bedarf es institutioneller Lösungen bis hin zur Anreicherung…
Ohne… den garantierten Technologie- und Wissenszugang unter
internationaler Kontrolle wird dieser Zug in die nukleare Souveränität
kaum noch aufzuhalten sein.“

 

Derlei Lösungsansätze stehen unter dem Primat des
atomaren Bretts vorm Kopf, das dem NVV als Geburtsfehler anhaftet.
Die Perspektive der Nicht-Verbreitung ist nachhaltig nur durch
den weltweiten Ausstieg aus der Atomenergie möglich. Denn
das wichtigste Proliferationsrisiko ist der NVV selbst, der in
seinem Artikel 4 die weltweite Förderung der Atomenergie
beinhaltet. Entsprechend tritt die IAEO als Kontrollinstanz einerseits
als „Feuerwehr“ auf und soll Feuer löschen.
Andererseits hat sie den Auftrag, Förderungsprogramme für
Brandstifter durchzuführen.

 

Solange alle Staaten auf ihrem „Recht“ auf Atomenergie
beharren, werden weitere militärische Atommächte entstehen.

 

Wer Weiterverbreiterung verhindern will, muss zuerst vor seiner
eigenen Tür kehren. Für Deutschland konkretisiert bedeutet
dies: Erstens muss Deutschland der nuklearen Teilhabe entsagen
(Bereitstellung von deutschen Trägersystemen für US-Atomwaffen)
und für den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland sorgen.
Zweitens muss Deutschland kurzfristig eine politische Erklärung
abgeben, dass sie den Ersteinsatz von Atomwaffen, den sich die
NATO vorbehält, politisch nicht mehr mit trägt und
beabsichtigt, einen entsprechenden Beschluss in der NATO herbeizuführen.
Drittens muss Deutschland seine eigenen AKWs abschalten, und
zwar schneller als bisher vorgesehen. Diese Beschleunigung muss
als Zeichen in den Zusammenhang mit der globalen Gefahr der Weiterverbreitung
eingeordnet werden. Parallel wären ehrgeizige Energieeinsparprogramme
und die Forcierung der erneuerbaren Energien vorzusehen.

 

Das Drei-Schlüssel-System

 

Die Weiterverbreitung von Atomwaffen ist nur durch ein Drei-Schlüssel-System
zu stoppen und umzukehren: Der erste Schlüssel ist die atomare
Abrüstung, der zweite der Verzicht und Ausstieg aus der
Atomenergie, der dritte ist die Weiterverbreitung erneuerbarer
Energie-Technologien.

 

Der dritte Schlüssel ist nötig, weil das Streben nach
AKWs auch wirklichen Energieproblemen geschuldet ist. Aber solange
die führenden Industrienationen ein falsches Atom-Vorbild
abgeben, werden auch die anderen Staaten dem hinterherlaufen.
Die Destabilisierung des atomaren Bretts vorm Kopfs gelingt nur,
wenn technologisch und kulturell nicht-nukleare Standards gesetzt
werden. Der Ausbau von Solarenergie im eigenen Land muss internationales
Ansehen verschaffen. Der Friedensnobelpreis sollte nicht (wie
noch 2005 geschehen) Atomorganisationen wie der IAEO, sondern
dem Regierungschef eines Landes verliehen werden, der die erneuerbare
Energie ausgebaut und auf ein Atomprogramm verzichtet hat.

 

Uli Cremer

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