02.12.2012
Der trügerische GRÜNE Frieden mit
den Patriots
Von Uli Cremer
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mit Fußnoten...
Erwiderung auf einen Blog-Beitrag von Felix Pahl und Tim
Rauschan auf
http://gruen-links-denken.de/2012/patriots-nur-unter-klaren-bedingungen-zur-verfugung-stellen/
Inhaltlich gibt es keinen guten Grund, die Patriots-Entscheidung
mitzutragen. Die meisten Argumente sind im Aufruf der GRÜNEN
FRIEDENSINITIATIVE „Keine Patriots an die syrische Grenze!
Stimmt im Bundestag mit NEIN!“ vom 21.11.2012 enthalten,
den bis Ende November bereits 124 GRÜNE Mitglieder unterstützt
haben. Sie sollen hier nicht wiederholt werden.
Es gab jedoch in den letzten Tagen aus den Reihen der SPD
und der GRÜNEN einige neue Argumentationsmuster, um die
Stationierung zu rechtfertigen, und diverse Anregungen, wie
das Mandat auszugestalten sei. Damit werden bei NATO und Bundesregierung
offene Türen eingerannt. Stationierung nicht so nahe
an der Grenze? Wird gemacht. Kein türkischer Oberbefehl?
Aber sicher, wir machen NATO-Oberbefehl. AWACS vergessen?
Stimmt, brauchen wir ja auch als Feuerleitsystem für
die Patriots. Gut schreiben wir das auch gleich mit ins Mandat.
Keine Operationen über syrischem Gebiet? Natürlich
nicht, nie in Erwägung gezogen. Es wird übrigens
sogar von NATO-Vertretern berichtet, die die Patriots so programmieren
wollen, dass sie keine Flugzeuge abschießen könnten,
sondern nur „Raketen, die türkisches Gebiet oder
Eigentum bedrohen". Offenbar haben wir bisher die Raffinesse
der NATO-Militärtechnologie unterschätzt, sie kann
wohl sogar juristische Eigentumstitel berücksichtigen.
Die Patriots sollen 50km hinter der Grenze stationiert werden.
Die Patriots Typ PAC-3 haben eine Reichweite von 45km. Also
Problem gelöst? Keineswegs, denn es handelt sich um mobile
Systeme, die auf ein Werfer-Fahrzeug montiert sind. Diese
müssen ja nicht 50km von der Grenze entfernt geparkt
bleiben, sondern die Fahrzeuge können jederzeit näher
an die Grenze heranfahren. Im Irak-Krieg 2003 bewegten sich
die entsprechenden US-Patriot-Batterien flexibel mit den vorrückenden
Truppen. Sollte die Bundeswehr sogar zwei Patriot-Batterien
stellen, müsste sie zusätzlich auf ältere PAC-2-Systeme
zurückgreifen. Diese haben ohnehin eine Reichweite von
160km. (Vergleiche hierzu Otfried Nassauers Beitrag „Symbolpolitik
und die Solidarität – Patriot-Raketen für
die Türkei“ auf www.bits.de)
Sobald die Patriot-Raketen in der Türkei stationiert
sind, können sie also technisch für die Absicherung
einer privat von der Türkei bzw. der NATO eingerichteten
„Flugverbotszone“ über syrischem Gebiet genutzt
werden. Passiert aber nicht, weil ein restriktes Mandat das
ausschließe, wird sodann den KritikerInnen entgegengehalten.
Von wem ist noch gleich das Mandat? Von der NATO selbst –
nun, die kann ihre eigenen Beschlüsse jeden Tag ändern.
Als öffentliche Rechtfertigung benötigt man dafür
natürlich eine passende „Provokation“, die
auch immer schnell bei der Hand ist. Um nicht zu weit in der
Geschichte zurückzugehen, sei nur auf das Hula-Massaker
von Juni 2012 verwiesen. Wie der FAZ-Korrespondent Rainer
Hermann recherchiert hat, ist dieses ganz offensichtlich von
Aufständischen verübt worden. Dennoch war es für
die NATO-Staaten ein willkommener Anlass, um die diplomatischen
Beziehungen zu Damaskus abzubrechen. Es handelt sich bei den
Regime-Change-Bestrebungen in Syrien nicht um eine exklusiv
türkische Unternehmung, sondern diese wird von der gesamten
NATO tatkräftig unterstützt. Auch Deutschland ist
mit Spionagebooten und Militärausbildern mit von der
Partie. Warum soll ein NATO-Oberbefehl generell konfliktmindernd
wirken, wenn alle NATO-Staaten den Konflikt eskalieren wollen?
Im Beitrag von Felix Pahl und Tim Rauschan Patriots nur unter
klaren Bedingungen zur Verfügung stellen“ (im Blog
http://gruen-links-denken.de/2012/patriots-nur-unter-klaren-bedingungen-zur-verfugung-stellen/)
„ wird ein Perspektivwechsel angeregt bzw. das de Maizière-Argument
„45 Jahre hat Deutschland von der Solidarität der
Allianz profitiert“ variiert. Es „sollte auch
berücksichtigt werden, wie die Argumente abgewägt
werden würden, wenn die Bedrohungssituation und damit
die Anfrage umgekehrt wäre.“ D.h. Deutschland würde
Militärhilfe von der Türkei anfordern, weil es sich
z.B. von Dänemark bedroht sähe. Hier wird vorausgesetzt,
dass es sich bei der NATO um ein Verteidigungsbündnis
handelt. In Wirklichkeit ist aber aus der NATO in den letzten
20 Jahren ein offensives Militärbündnis mit regionalen
Ordnungsansprüchen geworden.
Statt das Dänemark-Beispiel noch mit einer friesischen
Befreiungsfront zu bebildern, sei ein juristischer Perspektivwechsel
empfohlen. Was die türkische Regierung seit 2011 real
tut, erfüllt mutmaßlich bereits jetzt den Tatbestand
einer Aggression gegen das Nachbarland Syrien. Denn die UN-Generalversammlung
qualifizierte auch „das Entsenden bewaffneter Banden,
Gruppen, Freischa¨rler oder So¨ldner durch einen Staat
oder in seinem Namen“ in der Resolution 3314 (XXIX)
von 1974 als Aggression. Nun kann man natürlich sagen,
in der Freien Syrischen Armee kämpften lauter untadelige
Freiheitskämpfer, nur die Tausende islamistischen Kämpfer
störten ein wenig. Aber es soll hier ein Zitat aus der
FAZ vom 30.7.2012 genügen: „Dass der Syrische Nationalrat,
der größte Dachverband der Opposition, den FSA-Kämpfern
Gehälter zahlt und sie bei der Versorgung mit Waffen
unterstützt, ist kein großes Geheimnis...“
Hinzu kommt, dass das türkische Parlament Beschlüsse
gefasst hat, die die Regierung zu einem militärischen
Eingreifen in den syrischen Kurdengebieten ermächtigen,
wie dies in den irakischen Kurdengebieten immer wieder geschieht.
Kurzum: Die Patriots sind so gesehen ein militärischer
Beitrag im Rahmen einer von der NATO unterstützten Aggression,
bei der die Türkei in der ersten Reihe steht.
Bei der gängigen Behauptung, „Russland und China
blockieren bei Syrien im Sicherheitsrat“ mag ein weiterer
Perspektivwechsel helfen. Im Juni wurde von der Syrien-Aktionsgruppe
(unter Teilnahme aller UN-Veto-Mächte) die Bildung einer
Übergangsregierung aus beiden Bürgerkriegsparteien
vereinbart. Die NATO-Mächte wollen stattdessen inzwischen
nur noch aus einer Bürgerkriegspartei eine Übergangsregierung
bilden. Sie setzen auf den militärischen Sieg der Aufständischen.
Deswegen ist der Sicherheitsrat real einmal mehr durch die
USA, Britannien und Frankreich blockiert. Aber das Blutvergießen
in Syrien kann nur gestoppt werden, wenn der UN-Vermittler
Brahimi endlich auch die Unterstützung der westlichen
Länder erhält. Dies ist leider nicht der Fall.
Wer eine Eskalation des Syrienkrieges durch den Einsatz von
Patriots vermeiden will, belässt diese besser, wo sie
zur Zeit sind: in Bad Sülze (Mecklenburg-Vorpommern).
Uli Cremer war Ende der 90er Jahre Sprecher der BAG Frieden
und ist Autor des Buchs „Neue NATO: die ersten Kriege“
(2009).
Kontakt:
Wilhelm Achelpöhler 0171 / 17 17 392 - achelpoehler@gruene-friedensinitiative.de
Uli Cremer 0160 / 81 21 622 - cremer@gruene-friedensinitiative.de
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