home
Pressemitteilung
Texte
Friedensbibliothek

 

Termine
FAQ
Links
Blog
  
Kontakt
Impressum
zurück

 


Nein zum Tornadoeinsatz in Afghanistan

Erklärung von Hans-Christian Ströbele zum Abstimmungsverhalten nach § 31 GO BT zum Tagesordnungpunkt "Tornadoeinsatz in Afghanistan" am 9.3.2007

"Ich lehne den Antrag der Bundesregierung, Tornado-Flugzeuge der Bundeswehr auch im Süden Afghanistans einzusetzen, ab und stimme deshalb mit Nein. Mit dem geplanten Einsatz unterstützen die deutschen Tornado-Flugzeuge den schmutzigen Krieg der US-Streitkräfte im Süden Afghanistans; sie werden zumindest auch Ziele feststellen und zeitnah an das militärische Hauptquartier im Süden melden, die anschließend mit Raketen und Bomben aus der Luft angegriffen und zerstört werden. Bei zukünftigen Meldungen über zerstörte Häuser, Gehöfte und ganze Ortschaften steht dann zu befürchten, dass diese Ziele mit all den menschlichen Opfern mit deutscher Unterstützung vernichtet wurden. Diese Art der Kriegsführung der USA im Süden Afghanistans hat in den letzten Jahren nicht dazu geführt, dass islamistischer Terrorismus wirksam bekämpft wird. Sie hat auch nicht dazu geführt, dass nur die Verantwortlichen für die Anschläge in New York und Washington vom 11. September 2001 zur Verantwortung gezogen und der Gerechtigkeit zugeführt wurden ("bring to justice"), wie es in der UN-Resolution als Grundlage des Militäreinsatzes festgelegt wurde. Diese Art der Kriegsführung war eher geeignet, Hass und Terrorismus weltweit zu schüren und hat in Afghanistan den Widerstand so gestärkt, dass er inzwischen den aus den Jahren seit 2001 bei weitem übertrifft.

Es gibt Alternativen: Die Strategie für Afghanistan muss grundlegend geändert werden. Eine neue Strategie muss daran ausgerichtet sein, statt immer mehr Krieg anzufachen, die Kriegshandlungen zu beenden, statt immer mehr Militär einzusetzen, die Truppenstärke zügig zu reduzieren und die Soldaten in einem absehbaren und verantwortbaren Zeitraum abzuziehen. Die verhängnisvolle Kriegsführung, insbesondere der US-Streitkräfte, muss sofort gestoppt werden. Es müssen Verhandlungen aufgenommen werden mit dem Ziel, einen Waffenstillstand auch im Süden Afghanistans zu erreichen - für das ganze Land oder auch nur für einzelne Teile, für Provinzen oder Teilprovinzen. Verhandlungspartner müssen dabei alle sein können, die bereit sind, über einen Waffenstillstand zu reden, das sind Stammesführer genauso wie Teile der Taliban oder bewaffnete Widerstandsgruppen. Zaghafte Versuche, etwa der britischen Militärs in der jüngsten Vergangenheit, für einzelne Regionen Waffenstillstände zu vereinbaren, waren so lange erfolgreich, bis sie durch neue Kampfhandlungen der US-Streitkräfte zunichte gemacht wurden. Der Widerstand im Süden Afghanistans wird schon lange nicht mehr nur von Taliban organisiert, sondern auch von sehr unterschiedlichen anderen Gruppen, die sich zusammenfinden in der Ablehnung der fremden Truppen im Lande, häufig motiviert durch Verluste von Familienangehörigen infolge der Kriegführung der US-Streitkräfte.

Darüber hinaus ist eine Waffenstillstandskonferenz mit allen Nachbarstaaten, nicht nur mit Pakistan, sondern auch mit dem Iran notwendig. Nur wenn die militärische Strategie in Richtung Schweigen der Waffen nachhaltig verändert wird, können auch zivile Wiederaufbauarbeiten durchgeführt und der Bevölkerung eine lebbare Alternative gezeigt werden. Die Waffenstillstandsstrategie muss ergänzt werden durch entschieden verstärkte zivile Aufbaumaßnahmen, vor allen Dingen der Infrastruktur, der Verwaltung und Justiz und jeglicher Förderung von Bildung und Ökonomie. Die Mittel für den zivilen Wiederaufbau müssen und können mindestens in der Höhe zur Verfügung gestellt werden wie derzeit für die Militäreinsätze. Auch zur Lösung des Drogenproblems müssen radikal neue Wege geprüft und gegangen werden. So gibt es den Vorschlag, die gesamte Opiumernte vor Ort aufzukaufen und weltweit dem Roten Kreuz und anderen internationalen Organisationen zur wirksamen Schmerzbekämpfung auf der Grundlage ärztlicher Verordnung zur Verfügung zu stellen. Die Vernichtung verbleibender Reste der aufgekauften Ernte käme allemal billiger als der Kampf gegen den kriminellen Opium- bzw. Heroinhandel in Afghanistan und überall auf der Welt. Dem illegalen Opiumanbau und kriminellen Drogenhandel in Afghanistan, mit dem auch Milizen, Privatarmeen und Warlords bis hinein in die Regierung finanziert werden, würde damit von einem Tag auf den anderen die Grundlage entzogen. Insbesondere den Bauern und der Landwirtschaft könnte damit auch der Weg geöffnet werden für die Entwicklung einer Landwirtschaft, die der Ernährung der Bevölkerung dient und für die allmähliche Beendigung des Drogenanbaus sorgt.

Der bisherige Weg zum Ziel einer modernen, humanitären Zivilgesellschaft in Afghanistan hat sich als falsch erwiesen, Afghanistan steckt tiefer im Krieg als in den Jahren davor, deshalb ist die Öffnung neuer Wege unverzichtbar. Ein "Weiter so" mit immer mehr Militär darf es nicht geben."