Aachener
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Ulrich Cremer (Grüne): «Der Karlspreis sollte
ein Friedenspreis werden»
18.04.2007, 20:06
Aachen. Javier Solana sei eigentlich ein würdiger Karlspreisträger,
stehe aber in einer kriegerischen Tradition, kritisiert Ulrich
Cremer, bis 1999 außenpolitischer Sprecher der Bündnis-Grünen,
im Gespräch mit den «Nachrichten».
Der Hamburger ist Mitbegründer der neuen «Grünen
Friedensinitiative», die das «friedenspolitische
Erbe» der Ökopartei bewahren will. 1999 war er mit
dem Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele strikt gegen
den Jugoslawien-Krieg unter Einsatz der Bundeswehr.
Es regt sich Protest gegen die Karlspreisverleihung an Solana,
den Generalsekretär des Rates der Europäischen Union
(EU) und Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen-
und Sicherheitspolitik. Kritiker werfen ihm vor, seinerzeit als
Nato-Generalsekretär für den völkerrechtswidrigen
Krieg gegen Jugoslawien mitverantwortlich zu sein. Ist er in
ihren Augen preiswürdig?
Cremer: Die Frage ist, wie man
den Karlspreis bewertet. Er ist nicht der Friedensnobelpreis.
Es hat schon andere Preisträger gegeben, die auf der militaristischen
Seite waren. Bill Clinton erhielt im Jahre 2000 diesen Preis,
nachdem er 1999 den Jugoslawien-Krieg Feder führend voran
getrieben hatte. In dem Sinne setzt sich hier eine schlechte
Tradition fort.
Sie kritisieren in ihren Vorträgen und Buchbeiträgen
die wachsende Militarisierung der EU-Außenpolitik. Welche
Rolle spielt der Spanier dabei?
Cremer: Er spielt eine Feder führende
Rolle. Denn Solana führt nicht nur das aus, was die Regierungschefs
aushecken. Man hat nach dem Jugoslawien-Krieg angefangen, die
EU als Militärmacht konsequent auszubauen. Der Krieg damals
war im Grunde genommen der Vater der Militarisierung. Inzwischen
ist die EU in bescheidenen Maße in der Lage, eigene Militärinterventionen
durchzusetzen.
Provokativ gefragt: Setzt das Karlspreis-Direktorium nicht ein
richtiges Signal, wenn es Javier Solana als Europäer des
neuen Europas würdigt?
Cremer: Vielleicht sollte man andere
europäische Traditionslinien aufgreifen als die kriegerischen
Traditionslinien, die sich heute in der Aufrüstung der EU
zur Militärmacht ausdrücken.
Aber auch Karl der Große ging als Sachsenschlächter
in die Geschichte ein, der mittels Gewalt seinen Machtbereich
erweiterte. Also wäre auch Solana ein würdiger Preisträger?
Cremer: So gesehen, ja. Aber es sind Jahrhunderte vergangen. Wir leben
heute im Atomzeitalter, wo man militärische Mittel nicht
mehr einsetzen sollte. Vielleicht sollte sich das Karlspreis-Direktorium überlegen,
auf Preisträger zuzugehen, die andere Traditionslinien verfolgen.
Oder aus dem Karlspreis einen Friedenspreis machen. Das ist er
derzeit bestimmt nicht.
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