Neues Deutschland
21.4.2007
Künstliche Trennung
Von Uli Cremer
Der Länderrat der Grünen hat sich am vergangenen Wochenende
mehrheitlich hinter den deutschen Beitrag zum ISAF-Kriegseinsatz
der NATO gestellt. Dieser erfolgt seit März inklusive der
deutschen Tornados. Die Tornado-Kritik einiger Grüner war
zeitlich befristet. Sie lautet: Zwar wünscht man sich eine
politisch-zivile Offensive, hält aber mit der Losung »Kein
Rückzug aus Afghanistan« an der militärischen
Komponente fest. Mit Einschränkung: Für ISAF, die »Internationale
Sicherheitsunterstützungstruppe«, aber nicht mehr
für die »Operation Enduring Freedom« (OEF),
den von den USA geführten »Krieg gegen den Terrorismus«.
Die Trennung ist künstlich, weil beide Militäreinsätze
von Beginn an verknüpft waren. Der OEF-Kommandeur ist gleichzeitig
stellvertretender Kommandeur der ISAF. Insofern geht es hier
eher um politische Rosinenpickerei, um für die brutale Seite
des Afghanistan-Krieges nicht in Mithaftung genommen zu werden.
Diese Position ist windelweich. Auch die Grünen müssen
sich entscheiden: Ja oder Nein? Wollen sie Krieg und Besatzung
mit all seinen Bestandteilen in ganz Afghanistan weiterhin unterstützen
oder fordern sie den Abzug der Truppen, eine Exit-Strategie?
Deutschland als internationaler Kriegsdienstverweigerer oder
als NATO-Soldat?
Die Völkerrechtswidrigkeit des Afghanistan-Krieges wird
von den Vorsitzenden der Grünen bestritten. Aber wie der
Irak-Krieg wurde auch Enduring Freedom ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates
begonnen. Das am Folgetag der Anschläge vom 11.September
2001 anerkannte »Recht auf Selbstverteidigung« gilt
nach Art. 51 der UN-Charta nur solange »bis der Sicherheitsrat
die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit
erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.« Genau das
geschah am 28.9.2001, als der Sicherheitsrat einen umfangreichen
Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung des Terrorismus verabschiedete.
Darin ist von keinen Militäraktionen die Rede.
Für die ISAF konnten die NATO-Länder im Dezember
2001 ein Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta durchsetzen. Die
ISAF-Truppen
wurden ermächtigt, »alle zur Erfüllung ihres
Mandats notwendigen Maßnahmen zu ergreifen«.
Es handelte sich bei ISAF zu keinem Zeitpunkt um ein »friedensbewahrendes« Aufbauprojekt,
sondern um einen Kampfeinsatz. Dass nicht jeden Tag überall
geschossen wurde, ändert daran nichts. Insofern erhält
der Militäreinsatz durch die Entsendung deutscher Tornados
keine neue Qualität.
Leider behandelt der UN-Sicherheitsrat die Ergebnisse völkerrechtswidriger
Militäreinsätze »realpolitisch« und akzeptiert
neue Machtverhältnisse, auch wenn sie das Resultat eines
Angriffskrieges sind – im Irak und auch in Afghanistan,
das in der UNO nicht mehr vom Taliban-Regime, sondern von der
Karzai-Regierung vertreten wird. UN-Resolutionen loben das Wirken
der OEF-Truppen, ohne dass Russland oder China ein Veto eingelegt
hätte.
So gesehen ist die Klage, die die Linksfraktion in Karlsruhe
gegen eine faktische Veränderung des NATO-Vertrages führt,
sekundär. Sie orientiert ausschließlich auf eine fehlende
Beschlussfassung des Bundestages, über deren Ausgang sich
bei den aktuellen Mehrheitsverhältnissen niemand Illusionen
machen sollte. Die Gegner und Gegnerinnen des Afghanistan-Krieges
wären gut beraten, sich darauf zu konzentrieren, dass das
UN-Mandat für den Krieg nicht erneuert wird. Es geht um
mehr als den Abzug der Bundeswehr. Es geht um eine Exit-Strategie
für alle NATO-Truppen, um die Beendigung des Afghanistan-Krieges.
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