26.06.2009
Text für AWACS Brief:
Liebe Grüne Bundestagsabgeordnete,
in Kürze entscheidet der Bundestag über den Antrag
der Bundesregierung zur Entsendung von AWACS Flugzeugen nach
Afghanistan.
Wir möchten Dich bitten, diesen Antrag abzulehnen.
Für den Antrag der Bundesregierung wird angeführt,
es bestehe ein ziviler Bedarf nach einer Flugsicherung in
Afghanistan. Gerade die Hilfsorganisationen der UN hätten
nur mit dem Flugzeug die Möglichkeit schnell ihr Ziel
zu erreichen. Diese Beschreibung des Einsatzes der Bundeswehr
in der Luft erinnert uns an das Bild, wie es in den letzten
Jahren häufig vom Einsatz der Bundeswehr auf dem Boden
gezeichnet wurde. Die Bundeswehr erscheint danach wie ein "robuster
THW", bei dem die Soldaten nicht Krieg führen,
sondern Brücken bauen und Brunnen bohren. Seitdem immer
mehr Soldaten der Bundeswehr im Zusammenhang mit Kampfhandlungen
getötet werden, zuletzt drei Soldaten am 23.6., und
in Gefechten afghanische Aufständische töten, wird
immer deutlicher, dass dieses Bild der Realität nicht
entspricht.
Der Antrag der Bundesregierung für den AWACS Einsatz
spricht insoweit eine klare Sprache:
Aufgabe des AWACS Einsatzes ist die "Erstellung eines
Luftlagebildes einschließlich dessen Bereitstellung
für zivile und alle militärischen Luftraumnutzer
....Koordinierung des gesamten militärischen Luftverkehrs...
Koordinierung von Luftbetankung für alle militärischen
Luftraumnutzer... Relaisfunktion für Kommunikations-
und Datenaustausch für alle militärischen Luftraumnutzer..."
Der AWACS Einsatz steht damit nicht nur für eine weitere
Erhöhung der in Afghanistan eingesetzten Bundeswehrsoldaten
auf nunmehr 4.800 Soldaten, er steht auch für die Einbindung
der Bundeswehr in den von der NATO im Rahmen von ISAF in
ganz Afghanistan geführten Krieg. Ja, er steht auch
für die Einbeziehung der Bundeswehr in den OEF Einsatz,
wie er von einer Koalition der Willigen in Afghanistan geführt
wird, denn selbstverständlich sollen die AWACS auch
den "Luftverkehr" im Rahmen von OEF koordinieren.
Ulrike Winkelmann schrieb dazu bereits vor einem Jahr in
der taz:
"Sollte der Bundestag im Herbst jedoch auch den AWACS-Einsatz
genehmigen müssen, dann ist es endgültig vorbei
mit der ohnehin unglaubwürdig gewordenen Abgrenzung
des deutschen Beitrags in Afghanistan von der US-geführten "Operation
Enduring Freedom". Dann nämlich müsste ins
Bundestagsmandat hineingeschrieben werden, dass die AWACS
sowohl für den nicht UNO-mandatierten Einsatz der USA
als auch für den multinationalen Isaf-Einsatz fliegen." (taz
29.7.08)
Genau dazu ist es jetzt gekommen.
Die Entsendung der NATO-AWACS-Flugzeuge hat nichts mit der
Verbesserung der zivilen Luftfahrt über Afghanistan
zu tun, aber viel mit dem Krieg in Afghanistan. Denn seit
2006 haben die Luftangriffe der westlichen Militärstreitkräfte
drastisch zugenommen. Jetzt sollen die AWACS die NATO-Kriegsführung
optimieren, schließlich sind sie nicht vom Roten Kreuz
oder der Lufthansa angefordert worden.
Bei Luftangriffen wären die AWACS insofern mit von
der Partie, weil sie dafür sorgen, dass zivile Flugzeuge
nicht im Weg sind, die Angriffe damit ungestört und
effektiver ablaufen können, die Bomben also ihren Weg
finden. Auch würden von Aufständischen bedrängte
Bodentruppen die AWACS als Relaisstationen nutzen, als Ersatz
für fehlenden direkten Funkkontakt in unwegsamen Gelände.
Bemerkenswert ist, wie sehr sich gerade im Zusammenhang
mit dem Einsatz von AWACS Flugzeugen die politische Diskussion
in Deutschland verschoben hat: Als 1992 AWACS Flugzeuge den
Luftraum über der Adria überwachen sollten, handelte
es sich um einen hoch umstrittenen Einsatz. Die SPD machte
damals in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
geltend, der Einsatz sei unzulässig, weil die Bundeswehr
nach dem Grundgesetz nur zur Verteidigung eingesetzt werden
dürfe.
Wie wenig es berechtigt ist, den AWACS Einsatz als eine
bloß militärische Hilfestellung für zivilen
Luftverkehr zu diskutieren, zeigt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
zum AWACS Einsatz während des Irak Krieges 2003. Damals
führte die Rot-Grüne Bundesregierung keine Bundestagsentscheidung über
den AWACS Einsatz herbei. Das Bundesverfassungsgericht stellte
dazu fest, dass eine Entscheidung des Bundestages immer dann
erforderlich sei, wenn es um den "Einsatz bewaffneter
Streitkräfte" gehe, denn
"Der Einsatz bewaffneter Gewalt bedeutet nicht nur
ein erhebliches Risiko für Leben und Gesundheit deutscher
Soldaten, sondern er birgt auch ein politisches Eskalations-
oder doch Verstrickungspotential: Jeder Einsatz kann von
der begrenzten Einzelaktion in eine größere und
länger währende militärische Auseinandersetzung
münden, bis hinein in einen umfänglichen Krieg." Ein
solcher Einsatz liegt vor, wenn es um die "Einbeziehung
von Bundeswehrsoldaten in bewaffnete Auseinandersetzungen" geht
mit "einer besonderen Nähe der Anwendung von Waffengewalt", "die
Einbeziehung" muss "unmittelbar zu erwarten sein." (BVerfG
Urteil 7. Mai 2008 - 2 BvE 1/03 -)
Wenn die Bundesregierung jetzt die Entscheidung über
den AWACS Einsatz dem Bundestag vorlegt, dann geht sie ganz
offensichtlich davon aus, dass diese Voraussetzungen gegeben
sind.
Der Einsatz von 300 weiteren Bundeswehrsoldaten in Afghanistan,
das steht nicht für weniger, sondern für mehr deutsche
Truppen in Afghanistan. Gegenüber Sommer 2008 erhöht
sich die Obergrenze von 3.600 (3.500 ISAF plus 100 OEF) auf
4.800. Das ist eine Steigerung um 36%!!! Damit leistet Deutschland
seinen Beitrag dazu, die westliche Truppenzahl auf über
100.000 (also das Niveau des sowjetischen Afghanistan-Krieges)
zu erhöhen.
Deshalb bitten wir Euch, den Antrag der Bundesregierung
abzulehnen.
Mit freundlichen Grüßen
Für die Grüne Friedensinitiative
Uli Cremer, Wilhelm Achelpöhler
Hamburg /Münster 17.6.2009
Kontakt:
Uli Cremer 0160 / 81 21 622
cremer@gruene-friedensinitiative.de
Wilhelm Achelpöhler 0171 / 17 17 392
achelpoehler@gruene-friedensinitiative.de
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