28.06.2011
Afghanistan:
Obama verlängert Restlaufzeit des Krieges
von Uli Cremer und Wilhelm Achelpöhler
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mit Fußnoten
Am 22.6.2011 verkündete Obama, dass die USA bis 2012
30.000 US-Soldaten aus Afghanistan abziehen wird. Damit machen
die USA den gigantischen Truppenaufwuchs seit 2009 allerdings
nur teilweise rückgängig. In Obamas Amtszeit ist
die US-Truppenzahl am Hindukusch um über 50.000 Soldaten
erhöht worden. Wenn die nächsten US-Präsidentschaftswahlen
stattfinden, werden also mehr US-Truppen in Afghanistan stationiert
sein als zum Zeitpunkt, als Präsident Bush abtrat! Der
bisher angekündigte Abzug bedeutet nicht mehr, als dass
das Kriegsniveau wieder auf 2009er Level sinkt. Allein 2009
starben 2.412 ZivilistInnen (laut UN-Angaben) sowie 521 westliche
Soldaten in Afghanistan. Wird der Krieg, wie geplant, drei
Jahre (von 2012 bis 2014) weitergeführt, wären entsprechend
über7.000 zivile Opfer, über 1.500 tote westliche
Soldaten sowie eine unbekannte Zahl toter Angehöriger
afghanischer Sicherheitskräfte und Aufständischer
zu befürchten.
Inwieweit der Abzug nach den US-Präsidentschaftswahlen
weitergeht, ist derzeit unklar. Es gibt keine Unumkehrbarkeit
des Abzugsdatums „bis 2014“. Denn diese Jahreszahl
ist mit diversem Kleingedruckten versehen: Erstens ist der
Abzug lageabhängig, und die Lage wird von den Kriegsführenden
selbst, also der NATO, beurteilt. Zweitens sollen bis 2014
gar nicht alle Soldaten abgezogen werden, sondern es sollen
ohnehin welche zur „Ausbildung“ der afghanischen
Regierungssoldaten im Lande bleiben. Die Bauaktivitäten
auf US-amerikanischen Stützpunkten deuten entsprechend
nicht auf Abschied hin.
Drittens soll die Sicherheitsverantwortung an die afghanische
Regierung übergeben werden. Dazu müssten entsprechend
genügend einsatzfähige afghanische Sicherheitskräfte
vorhanden sein. Wer das entsprechende Zahlenwerk durchforstet,
kommt zu dem Ergebnis: „Entweder ist in Afghanistan
ein Wunder geschehen oder die »optimistischen«
NATO-Zahlen sind nur darauf zurückzuführen, dass
ISAF-Kommandeur Petraeus bei Amtsantritt im Sommer 2010 den
Kommunikationsetat um 100 Mio. US-$ auf 290 Mio. US-$ aufgestockt
hat. “ Es scheint sich also um ein großes Potemkinsches
Dorf zu handeln. Was die Qualität und Zuverlässigkeit
im Sinne der westlichen Zahlmeister betrifft, sei nur auf
den einen Aspekt hingewiesen: die Unterwanderung der Sicherheitskräfte
durch Aufständische nimmt immer bedrohlichere Ausmaße
an, wie die Bundeswehr berichten kann.
Obama begründet seine Teilabzugspläne damit, dass
das Kriegsziel, dass die Al Kaida in Afghanistan keine Rückzugsräume
mehr unterhalte, erreichbar sei. Um die Menschenrechte und
Mädchenschulen geht es Obama nicht: „Wir werden
nicht versuchen, Afghanistan zum perfekten Ort zu machen.“
Dazu passen Meldungen über Verhandlungen mit den Taliban,
von denen Afghanistans Präsident Karsai berichtete, und
die bereits erfolgte Integration von Parteigängern des
radikalen Islamisten Hekmatyar in die Regierung des Landes.
Wenn in der deutschen Diskussion nun die KriegsbefürworterInnen
dem Abzug von US-Truppen folgen wollen, so legen sie das Motiv
offen, warum Deutschland den Krieg eigentlich mit führt:
Es ist ein Krieg aus Bündnisraison.
Angesichts dieser Hintergründe und Fakten ist der Abzug
der westlichen Truppen aus Afghanistan alles andere als ein
Selbstgänger. Die Meinungsmehrheiten gegen den Krieg
in den Truppenstellerländern genügen nicht. Deswegen
mobilisiert die Friedensbewegung anlässlich der im Dezember
2011 in Bonn stattfindenden internationalen Afghanistankonferenz
(„Petersberg II“) zu Gegenaktionen. Die GRÜNE
FRIEDENSINITIATIVE ruft mit dazu auf und wird sich daran beteiligen.
Hamburg/Münster 28.06.2011
Uli Cremer
Wilhelm Achelpöhler
Kontakt:
Uli Cremer 0160 / 81 21 622
cremer@gruene-friedensinitiative.de
Wilhelm Achelpöhler 0171 / 17 17 392
achelpoehler@gruene-friedensinitiative.de
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