Deutsche Tornados nach Afghanistan?

Sylvia Kotting-Uhl, MdB

Die beiden jeweils auch mit deutscher Beteiligung in Afghanistan
agierenden Mandate haben sich einen sehr unterschiedlichen Ruf
erworben. Während Operation Enduring Freedom als reiner
Kampfeinsatz zunehmend im Verdacht steht mehr die Talibanisierung
Afghanistans zu fördern als für Stabilisierung zu sorgen,
scheint ISAF nicht nur hierzulande, sondern auch bei der Bevölkerung
Nord-Afghanistans als Aufbau-Mandat in hohem Ansehen zu stehen.

In Deutschland wurde bisher großer Wert darauf gelegt
die beiden Mandate klar zu unterscheiden. Bei der Bundestagsfraktion
Bündnis 90/Die Grünen hatte die negative Entwicklung
in Afghanistan innerhalb des letzten Jahres zur Konsequenz, dass
die Verlängerung des OEF-Mandats – bei ausdrücklicher
Betonung des Festhaltens an ISAF – erstmals mehrheitlich abgelehnt
wurde. Für mich wie einige weitere grüne Abgeordnete
war auch ISAF bisher schon nicht zustimmungsfähig, da der
Zusammenhang von ISAF mit OEF evident ist und von Politikern
wie Militärs oft als Argument für die notwendige Zustimmung
zu OEF heran gezogen wurde. OEF aber steht u.a. für Streubomben
und Guantanamo und ist in seiner ganzen Struktur dem von Deutschland
damals abgelehnten Einsatz im Irak sehr ähnlich.

 

Nun hat der deutsche Bundestag über die Forderung der NATO
Deutschland solle den ISAF-Einsatz mit Tornados unterstützen
zu entscheiden. Aufklärung ist Teil eines Kriegeinsatzes,
nicht eines Aufbaueinsatzes. Die Tornados würden also besser
zu OEF als zu ISAF passen. Die Strategie hinter der faktischen
Forderung ist klar: ISAF mit dem guten Ruf soll OEF mit dem schlechten
Ruf sukzessive ablösen. (Keine kluge Folgerung von mir,
sondern tatsächliche Aussage hoher Militärs.) Zweifel
wie lange ISAF seinen guten Ruf dann noch behält, sind sicher
mehr als berechtigt. Es ist nicht entscheidend unter welchem
Namen der Kriegseinsatz in Afghanistan läuft – entscheidend
ist, dass dieser Kriegseinsatz mit all seinen Opfern von der
Mehrheit der Bevölkerung offensichtlich nicht als Befreiung
sondern als Bedrohung erlebt wird und dass dieser Krieg ebenso
offensichtlich nicht zu gewinnen ist.

 

Aufbauarbeit in Afghanistan muss – um von den Menschen
dort als Hilfe angenommen werden zu können – klar
getrennt sein von militärischer Bedrohung. Derzeit rückt
die Erfüllung der selbst gestellten Aufgaben – Aufbau
demokratischer Strukturen und eines Rechtssystems, Lösung
des Drogenproblems – in immer weitere Ferne. Und das nicht trotz,
sondern wegen der gleichzeitigen militärischen Einsätze.
Mehr vom Selben kann da nicht helfen. Zielführender wäre über
eine andere Aufteilung der internationalen Gelder nachzudenken – bisher
fließen 10% der Gelder in zivile und 90% in militärische
Mittel. Dem immer wieder erklärten Ziel „die Herzen
der Menschen zu gewinnen“ kommt man mit immer mehr militärischer
Präsenz im Himmel über Afghanistan sicher nicht näher.

 

Für mich ist die Entscheidung Tornados für Afghanistan
abzulehnen selbstverständlich. Für diejenigen die ISAF
bisher aus voller Überzeugung zugestimmt haben ist die Entscheidung
logischerweise schwerer. Aber der Tornado-Einsatz wird ISAF verändern.
Er wird die Grenzen zwischen ISAF und Enduring Freedom endgültig
verschwimmen lassen – und er wird den bisherigen Unterschied
im Tun deutscher und amerikanischer Soldaten verschwimmen lassen.
Von der Seite der US-Administration ist genau das auch sicher
gewollt.

 

Berlin, März 07

 

Sylvia Kotting-Uhl

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