FAQ Afghanistan

Frequently Asked Questions

!!! Überarbeitete Fassung 02. Dezember 2009 !!!

Der Afghanistan-Krieg (2001 – ?)

vor der Bundestags-Abstimmung zur Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes am 3.12.2009

 

Einleitung

Wie in jedem Jahr entscheidet auch in diesem Jahr der Bundestag über die weitere Beteiligung am Afghanistan-Krieg. Um die Diskussion aus dem Wahlkampf herauszuhalten, war 2008 das Mandat gleich bis Dezember 2009 verlängert worden. Nun wird am 3.12.2009 abgestimmt.

 

Allerdings ist mit der Mandatsverlängerung erst einmal keine Verstärkung des deutschen Militäreinsatzes verbunden. Die jährliche Aufstockung wird erst nach der internationalen Afghanistan-Konferenz im Januar 2010 beschlossen werden. Für Februar oder März 2010 müssen wir also mit der nächsten Afghanistan-Entscheidung im Bundestag rechnen.

 

Allerdings soll schon bei der bevorstehenden Entscheidung am 3.12.09 für die Kriegsführung 2010 signifikant mehr Geld zur Verfügung gestellt werden: 820,7 Mio. € statt 688 Mio. € bisher. Monatlich wurden bisher etwa 50 Mio. € ausgegeben, in Zukunft sollen es etwa 70 Mio. € sein [1] . Die Anhebung dürfte nicht zuletzt auf die Intentsivierung des Krieges zurückzuführen sein: Verbrauchte Munition und andere zerstörte Ausrüstungsgegenstände müssen in höherem Maße als in der Vergangenheit ersetzt werden.

 

Denn der Krieg in Afghanistan hat sich 2009 erheblich verschärft. Die Aufständischen kontrollieren inzwischen 80% der Regionen in Afghanistan. US-Präsident Obama gestand im März 2009 offen ein, dass der Krieg nicht zu gewinnen ist [1] . ISAF-Kommandeur McChrystal beklagt, dass die Aufständischen die Initiative hätten und fordert einen „Strategiewechsel“: Dosis erhöhen! Mehr Soldaten! Dem wird Obama in diesen Tagen nachkommen und weitere 32.000 – 35.000 Soldaten in den Krieg schicken.

 

Bereits jetzt haben ISAF und OEF über 100.000 Soldaten in Afghanistan im Einsatz. Gleichzeitig haben sie immer mehr Verluste zu verzeichnen: bis Ende November 2009 fielen über 1.500 westliche Soldaten, davon etwa 1/3 in diesem Jahr (485 Gefallene) in diesem Jahr. Laut UN-Angaben sind 2009 (bis Ende Oktober) bereits 2.021 zivile Opfer zu beklagen. Darin sollten auch die ZivilistInnen, die bei der von der Bundeswehr initiierten Bombardierung der zwei Tanklastzüge am 4.9. getötet wurden, eingerechnet sein.

 

Auch in Nordafghanistan hat sich der Krieg intensiviert. Die Bundeswehr führt immer mehr Offensivoperationen durch und wird immer häufiger von Aufständischen attackiert. Da in Zukunft der Nachschub für die westlichen Truppen zunehmend via Russland über Nordafghanistan laufen wird, wird die Region militärstrategisch an Bedeutung gewinnen und folglich umkämpft werden.

 

Der kurzfristige Abzug der NATO sowie der anderen westlichen Truppen aus Afghanistan

ist friedenspolitisch alternativlos. Im Dezember 2009 wäre darum die richtige politische Entscheidung, die deutschen Truppen bis Ende des 1. Halbjahres 2010 abzuziehen. Nur ein solch kurzfristiges Abzugsdatum gewährleistete, dass die Bundeswehr an den Kriegshandlungen 2010, die vermutlich wie in den letzten 30 Jahren nach der Schneeschmelze einsetzen, nicht mehr teilnähme. Ein solches Signal könnte die anderen NATO- Staaten, in denen wie in Deutschland die Mehrheit der Bevölkerung den Krieg ablehnt, bewegen, ihre Truppen ebenfalls abzuziehen.

 

Dennoch wird sich im Bundestag am 3.12.09 wieder eine stabile breite Mehrheit für die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes finden. Da die Meinungsmehrheiten gegen den Afghanistan-Krieg in Deutschland über die Jahre stabil sind, wird von den BefürworterInnen des Krieges als Aufgabe formuliert, dass die Politik der Bevölkerung den Militäreinsatz besser „erklären“ müsste, um ihn zu legitimieren. Für uns kommt es darauf an, die innenpolitische Ablehnung des Krieges zu vertiefen und politisch wirksam werden zu lassen.

 

Um diesen Prozess zu befördern, haben wir uns entschlossen, unsere 2007 erstmalig veröffentlichten „Frequently Asked Questions“ 2009 ein zweites Mal zu aktualisieren.

 


Frage 1

Seit 2001 kämpfen westliche Truppen in Afghanistan. Wie viele Opfer hat es eigentlich bisher gegeben?

 

Die Angaben über die zivilen Opfer des Afghanistan-Krieges sind wenig verlässlich und mit großer Unsicherheit behaftet. Offizielle Angaben über getötete Zivilisten werden von der UNO bzw. der UNAMA (= UN Assistance Mission in Afghanistan) herausgegeben. Danach sind 2009 vom 1.1. bis zum 31.10. 2.021 [2] Zivilisten ums Leben gekommen, das sind ca. 10% mehr als im Vergleichszeitraum des vergangenen Jahres; allerdings sind es fast 60% (!) mehr als 2007 . Die Bundeswehr hat am 4. September 2009 ihren Beitrag zur Fortschreibung dieser traurigen Statistik geleistet.

 

Für das Gesamtjahr 2007 gibt die UNAMA die Opferzahl mit 1.523 an, für 2008 mit 2.118. Die unabhängige in Kabul ansässige Gruppe ARM (Afghanistan Rights Monitor) zählte im gleichen Jahr allerdings 3.917 [3] zivile Opfer, das sind 85% mehr. 1.100 davon gingen auf das Konto der ISAF-/OEF-Truppen [4] , 2.300 auf das Konto der Aufständischen; die verbleibenden 517 konnten keiner Seite zugeordnet werden.

 

Auch aus Sicht der UNAMA sind sowohl die NATO als auch die Aufständischen verantwortlich für die zivilen Opfer. Wörtlich heißt es in dem Halbjahresbericht: “Both Anti-Government Elements and pro-government forces are responsible for the increase in civilian casualties.” [5]

 

Verlässliche Gesamtzahlen über getötete Aufständische fehlen, während über die gefallenen westlichen Soldaten akribische Statistiken geführt werden.

 

Tabelle 1: Gefallene OEF- und ISAF-Soldaten [6]

 

Jahre Gefallene Soldaten Vergleich zum Vorjahr
2001

12

2002

69

+475%

2003

57

-17%

2004

59

4%

2005

131

+122%

2006

191

+46%

2007

232

+21%

2008

294

+27%

2009*)

485

+65%

Total

1.532

 

*) Für das Jahr 2009 wurden die Gefallenen bis zum 1.Dezember 2009 berücksichtigt. Auf Gesamtjahresbasis dürfte die Steigerung noch höher ausfallen.

 

Bisher sind 36 Bundeswehrsoldaten gefallen [7] .

 

 

Frage 2:

Seit 2001 sind Soldaten aus den NATO-Ländern in Afghanistan im Einsatz. Wie viele sind es denn eigentlich?

 

Die NATO-geführte „ISAF“ (Internationale Schutztruppe Afghanistan) umfasst nach NATO-Angaben 71.030 SoldatInnen (Stand 22.10.2009) [8] . Mit den OEF-Streitkräften stehen über 100.000 westliche Soldaten in Afghanistan; in der New York Times war bereits im September 2009 schon von 108.000 die Rede [9] . Das ist genau die Dimension, die die Sowjetunion bei ihrem Afghanistan-Krieg in den 80er Jahren im Einsatz hatte. Die USA stellen mit 64.500 mehr als die Hälfte der Truppen.

 

Vor 7 Jahren (2002) waren lediglich 12.000 Soldaten im Land, davon 8.000 unter OEF-Flagge und 4.000 unter ISAF. Die Zahl der Soldaten hat sich also seitdem fast verzehnfacht! [10]

 

Tabelle 2: Entwicklung der westlichen Truppenzahlen seit 2002 [11]

 

ISAF OEF Total

2002

4.000

8.000

12.000

2006

31.000

22.100

53.100

2007

41.144

ca. 20.000

> 60.000

2008

52.700 (12.6.08)

30.000

82.700

51.350 (1.12.08)

19.000

70.350

2009

71.030 (22.10.09)

ca. 40.000

ca. 110.000

2010 [2]

ca.  85-95.000

ca. 55.000

ca. 140-150.000

 

 

Die weitere Aufstockung der NATO-Truppen wird von Militär und Politik Jahr für Jahr gefordert:

 

„Wir haben zu wenige Kräfte und nicht die beste Ausstattung“, sagte Kasdorf in Kabul. Einige tausend zusätzliche Soldaten könnten einen großen Unterschied machen. Die Isaf habe schon jetzt zu wenige Truppen und sei auf jede Unterstützung angewiesen, sagte er. „Da sind 40.000 Soldaten in der Tat ganz eng genäht“, kommentierte Kasdorf die derzeitige Isaf-Stärke. Der General sagte, gemessen am Kosovo-Einsatz müssten in Afghanistan 800.000 Soldaten stationiert werden. Die Nato-Truppe könne zwar militärisch nicht von den radikal-islamischen Taliban besiegt werden. Ohne zusätzliche Truppen werde der Einsatz aber länger dauern.“ [12]

Die aktuelle US-Militärdoktrin zur Aufstandsbekämpfung (Counterinsurgency/COIN) veranschlagt „zur erfolgreichen Bekämpfung von Aufständischen … ein Aufgebot von einer Sicherheitskraft pro 50 Zivilisten. Auf die Bevölkerung Afghanistans umgerechnet würden 650.000 gut ausgebildete Soldaten und Polizisten benötigt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass nur in ungefähr 50 Prozent des afghanischen Territoriums Einsätze gegen Aufständische überhaupt notwendig sind…, werden immer noch 300.000 Sicherheitskräfte gebraucht.“ [13]

Etwas bescheidener gab sich der damalige ISAF-Kommandeur, der US-General McNeill: Auf die Frage, wie viele Soldaten er bräuchte, um in Afghanistan die Aufständischen in den Griff zu bekommen, antwortete er bei einer Sicherheitskonferenz im November 2007 in Washington: „Nach den Regeln der Counter-Insurgency-Doktrin brauche ich dafür mindestens 400.000 Mann.“ [14]

Der aktuelle ISAF-Kommandeur, General McChrystal, ist der gleichen Doktrin verpflichtet und geht deswegen ebenfalls von dieser Größenordnung aus. Nach seinen Überlegungen sollen davon perspektivisch 240.000 davon Soldaten der ANA (Afghan National Army) sein. Die anderen etwa 160.000 müssten aus den NATO-Ländern bzw. von NATO-Verbündeten gestellt werden [15] .

 

Entsprechend fordert McChrystal von den USA für 2010 bis zu 45.000 Soldaten; Obama genehmigt aber nur 30.000. Weitere Verstärkungen sind von den Verbündeten zu erwarten, u.a. sind deutsche Überlegungen, von 4.800 auf 7.000 aufzustocken, bereits bekannt geworden. Der britische Premier Brown hat offenbar 10 europäische NATO-Staaten überzeugen können, 5.000 zusätzliche Soldaten zu schicken [16] . Einer der zehn Staaten wird Deutschland sein: Die Leipziger Volkszeitung hat von einem „zuständigen Regierungsmitglied“ erfahren: „Die Bundesregierung richte sich darauf ein, dass mit London ‚eine moderate Erhöhung des militärisch-zivilen Personalbedarfs’ für Afghanistan auch auf die Bundesrepublik zukomme.“ [17]

 

Was die afghanischen Sicherheitskräfte betrifft, so will McChrystal bzw. die NATO bis Oktober 2010 erst einmal eine Armee-Stärke von 134.000 erreichen (aktuell: 93.980 [18] ). Hinzukommen (als Zielgröße) 160.000 Polizeibeamte (aktuell: 96.800 [19] ).

 

„Zum Vergleich: Während der sowjetischen Invasion waren es zum Schluss, also 1989, rund 600.000 afghanische und sowjetische Soldaten und Milizen.(Minkow/Smolynec: S.7, 1988 umfassten die afghanischen Sicherheitskräfte 458.900 Mann, die Rote Armee hatte ca. 120.000 Soldaten in Afghanistan) Sie verloren letztlich den Krieg und die Engländer zuvor schon zweimal.“ [20]

 

Von dem Gesamtniveau sind die westlichen Staaten und die mit ihnen verbündeten afghanischen Kräfte heute real noch weit entfernt: Im Herbst 2009 addieren afghanische Armee und Milizen (Polizei) auf 191.000 Personen, dazu ISAF und OEF mit etwa 108.000, macht: ca. 300.000. Im Herbst 2010 würden afghanische Sicherheitskräfte (134.000 Soldaten plus ca. 120.000 Milizen = ca. 250.000) und internationale Truppen (ca. 160.000) bereits über 400.000 Personen stark sein.

 

Allerdings fehlen in der Vergleichsrechnung noch die privaten Sicherheitsdienste, denn die Sowjetunion hatte die entsprechenden Aufgaben in den öffentlichen Sektor, d.h. ihre Streitkräften integriert. Laut Angaben der FAZ waren bereits im Sommer 2009 3.000 bewaffnete private Sicherheitskräfte und 71.700 „Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen“ in Afghanistan eingesetzt [21] . Reinhard Erös, ehemaliger Oberstarzt bei der Bundeswehr und Gründer der Kinderhilfe Afghanistan, gibt die Zahl privater Bewaffneter (= Söldner) sogar mit 12.000 an [22] . So gesehen hat McChrystal für die Aufstandsbekämpfung bereits jetzt annähernd 400.000 Sicherkräfte zur Verfügung.

 

 

Frage 3:

Wie viele deutsche Soldaten sind denn eigentlich in Afghanistan eingesetzt?

 

Im Herbst 2008 war die Obergrenze auf 4500 Soldaten erhöht werden, das war gegenüber 2007 eine Steigerung um stolze 28%!

 

Im Juli 2009 genehmigte der Bundestag weitere 300 Bundeswehr-Soldaten, die für die AWACS benötigt werden. Wegen fehlender Überflugrechte über Aserbaidschan und Turkmenistan konnte der NATO-AWACS-Einsatz allerdings bis heute nicht beginnen, so dass das entsprechende Mandat erst einmal nicht erneut im Bundestag behandelt werden soll. [23]

 

Auf der Grundlage des OEF-Mandats werden z.Z. (laut Bundestagsbeschluss vom 13.11.2008) keine weiteren SoldatInnen in Afghanistan eingesetzt. Deutsches Personal kann danach nur für Aufgaben in anderen Regionen verwändet werden, z.B. sind Marinesoldaten am Horn von Afrika tätig.

 

Die aktuellen Obergrenze für Bundeswehr-SoldatInnen beträgt im Dezember 2009:

4.500 ISAF Basismandat (inklusive Tornado-Personal). Aufgestockt wird erst wieder nach der internationalen Afghanistan-Konferenz im Januar 2010. Bis dahin wird der neue Verteidigungsminister Guttenberg auf punktuelle Verstärkungen im Rahmen der bisherigen Obergrenze setzen (120 zusätzliche Soldaten für die Eingreiftruppe in Kundus, 18 zusätzliche Schützenpanzer usw.). [24]

 

Das bisherige Bundestagsmandat war auf 14 Monate ausgelegt. Auf diese Weise versuchte die Bundestagsmehrheit, das Thema Afghanistan-Krieg aus dem Bundestagswahlkamp 2009 herauszuhalten. Doch pünktlich nach dem 27.9.2009 kommt die Katze langsam aus dem Sack. Die politikberatenden Pressure Groups (in Personen: Ischinger als Chef der Münchener Sicherheitskonferenz sowie Noetzel als Autor der Stiftung Wissenschaft und Politik) analysieren: „Um Kundus zurückzugewinnen, müssen die militärischen Kräfte deutlich verstärkt werden.“ Die Forderung ist vornehm in Frageform gehalten: „Soll die neue Bundesregierung im Dezember ein um mehrere tausend Soldaten verstärktes Kontingent nach Afghanistan schicken…?“ [25] Analog zu den massiven US-Aufstockungsplänen haben deutsche Militärs die Sache schon einmal durchgerechnet und beabsichtigen die Obergrenze für die Bundeswehr auf bis zu 7.000 [26] !!! heraufzusetzen – das wäre eine Steigerung um 46%! Ernst-Reinhard Beck, verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, brachte Mitte November 2009 die Zahlen „6000, 8000 oder 10000“ ins Gespräch – „abhängig vom ‚militärischen Sachverstand’“ [27] . Auch eine Verdoppelung ist in Berlin also nicht tabu.

 

 

Frage 4

Wie viel Geld kostet der Afghanistan-Krieg die deutschen SteuerzahlerInnen?

„Nach Angaben der Vorsitzenden des Bundestags-Verteidigungsausschusses, der SPD-Politikerin Ulrike Merten, hat Deutschland für seinen Militäreinsatz in Afghanistan bislang mehr als 2,6 Milliarden Euro ausgegeben. Diese Summe ergebe sich, wenn man die veranschlagten Kostenrechnungen jeder Mandatsverlängerung zusammenrechne, sagte Merten laut einem Bericht der „Thüringer Allgemeinen“. Für das laufende Planjahr betrügen die Kosten 487 Millionen Euro.“ [28] Da die Bundeswehr im Juli 2008 auch die schnelle Eingreiftruppe im Norden übernahm, die zusätzliche Bewaffnung erforderte, erhöhten sich die Kosten für 2008 um 49 Mio. auf 536 Mio. €. Die Truppenaufstockung für 2009 zog dann einen Budgetansatz von 570,6 Mio. € für das laufende Jahr nach sich, worin die Kosten für die Anfang Juli beschlossene AWACS-Mission noch nicht enthalten sind. Andererseits sind diese bis heute auch noch nicht in Afghanistan angekommen.

Bis zum 15.12.2009 wird Deutschland also für den Afghanistan-Krieg mindestens 3,2 Mrd. € ausgegeben haben. Jeden Monat werden zur Zeit etwa 50 Mio. € für den Bundeswehreinsatz in Afghanistan fällig. Das neue Mandat von Dezember 2009 sieht für 12 Monate weitere 820,7 Mio. € vor, jeden Monat 70 Mio. €. Nach der zu erwartenden Aufstockung im 1.Quartal 2010 wird der Betrag sogar noch weiter steigen. Außerdem dürften noch geplante Rüstungslieferungen an die afghanische Armee oder lokale Milizen / Warlords zu Buche schlagen [29] .

 

Frage 5:

Die GRÜNEN hatten auf ihrem Kölner Parteitag 2006 beschlossen: „Das UN-Mandat für OEF rechtfertigt den Einsatz von Gewalt nur, um die Verantwortlichen, die Täter und Hintermänner der Anschläge vom 11.9.2001 in New York und Washington der Gerechtigkeit zuzuführen (bring to justice).“ Welche völkerrechtliche Grundlage gibt es für die Operation Enduring Freedom denn genau?

 

Es gibt überhaupt kein UN-Mandat für OEF. Die USA und ihre Verbündeten haben sich selbst mandatiert.

 

Die Regierungen der NATO-Länder sagen: Die USA sind am 11.9.2001 angegriffen worden. Deswegen können sie laut UN-Charta Artikel 51 das Selbstverteidigungsrecht in Anspruch nehmen. Das habe der UN-Sicherheitsrat auch anerkannt. Mit dem von der NATO ausgerufene Bündnisfall wird aus der individuellen Selbstverteidigung der USA eine kollektive. Also sei völkerrechtlich alles im Lot.

 

So ist jedoch nicht: Am 12.9.2001 hat der UN-Sicherheitsrat die Staaten aufgefordert, „dringend zusammenzuarbeiten, um die Täter, Drahtzieher und Förderer dieser terroristischen Anschläge vor Gericht zu bringen, und betont, dass diejenigen, die den Tätern, Drahtziehern und Förderern helfen, sie unterstützen oder ihnen Zuflucht gewähren, zur Rechenschaft gezogen werden.“ (Resolution 1368 (2001)) In der Tat hat er gleichzeitig das Recht auf Selbstverteidigung anerkannt. Dieses gilt jedoch laut UN-Charta Art. 51 nur solange „bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.“  Das ist jedoch am 28.9.2001 geschehen, indem der Sicherheitsrat einen umfangreichen Maßnahmenkatalog zur Bekämpfung des Terrorismus verabschiedete, in dem kein Militärschlag vorkommt (Resolution 1373 (2001)). Damit war das Recht auf Selbstverteidigung  völkerrechtlich „erloschen“, bevor die USA und ihre Verbündeten im Oktober 2001 in Afghanistan einmarschierten.

 

Dem OEF-Einsatz fehlte also von der ersten Stunde an die völkerrechtliche Legitimation. Denn der UN-Sicherheitsrat hat kein Mandat für den Krieg gegen Afghanistan erteilt.

 

 

Frage 6:

Welche völkerrechtliche Grundlage hat ISAF?

 

Er basiert auf einem Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta, also einem Mandat für einen Kampfeinsatz. Es handelt sich also nicht um einen friedenserhaltenden Blauhelmeinsatz. Begründung war und ist, dass „die Situation in Afghanistan eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ darstelle. Zu Beginn war der ISAF-Einsatz auf Kabul beschränkt, spätere UN-Mandate weiteten ihn auf ganz Afghanistan aus.

 

Inzwischen ist am Fall der Soldatin Ernst-Zettl allerdings bekannt geworden, dass die Bundeswehr bei der Durchführung des Einsatzes gegen die Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts verstößt, indem Sanitätssoldaten sogar am Maschinengewehr als Kämpfer eingesetzt werden, nachdem ihnen zuvor das Ablegen der Rot-Kreuz-Armbinden befohlen worden war. [30]

 

 

Frage 7:

Welche völkerrechtliche Grundlage hat der Tornado-Einsatz?

 

Der Tornado-Einsatz ist Teil von ISAF, das auf einem Mandat nach Kapitel VII der UN-Charta, also einem Mandat für einen Kampfeinsatz, beruht.

 

Die ISAF-Truppen sind ermächtigt, „alle zur Erfüllung ihres Mandats notwendigen Maßnahmen zu ergreifen“ [31] . Insofern ist auch der Tornado-Einsatz vom Beschluss von einem UN-Mandat gedeckt. Nicht nur der Bundestag, auch den UN-Sicherheitsrat trifft eben gelegentlich einen Vorratsbeschluss.

 

 

Frage 8:

Im Juli 2008 hatte die Bundeswehr im Norden die norwegische schnelle Eingreiftruppe abgelöst. Dazu ist weder das Bundeswehr-Mandat, noch das UN-Mandat geändert worden. Wie ist das zu erklären?

 

Die schnelle Eingreiftruppe beruht auf einem Kapitel-VII-Mandat des UN-Sicherheitsrates. Der gesamte ISAF-Einsatz ist juristisch nie eine friedenserhaltende Maßnahme gewesen, sondern ein Kampfeinsatz. Also gibt es eine völkerrechtliche Legitimation.

 

Im vorangegangenen Bundestagsbeschluss von 2007 war lediglich eine personelle Obergrenze für den gesamten ISAF-Einsatz festgelegt worden. Wie der Kampfeinsatz im Einzelnen organisiert würde, hat der Bundestag in all den Jahren nie fixiert. Insofern handelt es sich stets um Vorratsbeschlüsse: Der Bundeswehr-Einsatz kann jederzeit um neue qualitative Komponenten erweitert werden, ohne dass der Bundestag befasst werden müsste. Allein wenn die Kosten für neue qualitative Komponenten das vorgesehene Budget übersteigen, bleibt als Handlungsbedarf für den Bundestag ein kleiner Nachtragshaushalt – sofern sich die Summe nicht problemlos anderswo hinbuchen lässt.

 

 

Frage 9:

Im Sommer 2009  hat die NATO auch AWACS Flugzeuge für den Afghanistan-Krieg angefordert. Welche völkerrechtliche Grundlage gibt es dafür? Und was ist die Aufgabe dieser Flugzeuge?

 

Die AWACS Flugzeuge sind in das ISAF-Mandat eingebunden. NATO, Bundesregierung und Bundestagsmehrheit haben klargestellt, dass diese Maßnahme notwendig ist „zur Erfüllung ihres Mandats“. Insofern ist hier die völkerrechtliche Legitimation genauso wie beim Tornado-Einsatz.

 

Technisch können die AWACS den Luftraum bis zu 500 km tief überwachen. Sie sollen in Afghanistan die Luftbewegungen der verschiedenen Flugzeuge koordinieren, die von den diversen Militärkräften eingesetzt werden. Daraus ergibt sich, „dass die Awacs auf keinen Fall nur für Isaf da sein könnten. Die Sache würde nur dann Sinn ergeben, wenn wirklich alle Flugbewegungen erfasst, koordiniert und unterstützt würden: OEF-Flüge ebenso wie gelegentliche Flüge amerikanischer Spezialkräfte, die direkt von der Heimat aus kommandiert werden und von denen am Hindukusch kaum jemand vorher informiert wird.“ Zwar würden die AWACS bei Luftangriffen nicht direkt die Ziele zuweisen. „Dennoch wären Awacs an solchen Angriffen beteiligt, indem sie den Kampfflugzeugen die ‚Box freiräumen’; unter Umständen vielleicht auch, indem sie als Relaisstation dienen, wenn die Bodentruppen (das sind diejenigen, die häufig die Kampfflugzeuge anfordern, die Autoren) wegen der geographischen Bedingungen keinen eigenen direkten Funkkontakt haben.“ [32]

 

Auch wenn die Maßnahme als Optimierung des zivilen Luftverkehrs verkauft wird, sollen die AWACS natürlich die NATO-Kriegsführung optimieren, schließlich sind sie nicht von der Lufthansa oder vom Roten Kreuz angefordert worden.

 

Der damalige Staatsminister Erler begründete den AWACS-Einsatz am 17.6.2009 im Bundestag so: „Die derzeit in Afghanistan praktizierte Luftraumüberwachung ist längst hinter dem ständig wachsenden zivilen wie militärischen Flugaufkommen zurückgeblieben. Diese Entwicklung wird anhalten. Prognosen der NATO sehen in naher Zukunft ein weiteres starkes Wachstum um das Drei- bis Fünffache voraus.“ Laut Auswärtigem Amt beträgt der militärische Anteil an den Flugbewegungen 70, der zivile 30 Prozent. Der zivile wuchs jährlich um 10 Prozent, der militärische bisher jährlich um ein Viertel! [33] Also geht es um den militärischen Anteil.

 

Allerdings rief die NATO das AWACS-Mandat bis Dezember 2009 nicht ab, da es nicht gelang, die notwendigen Überflugsrechte von Aserbaidschan und Turkmenistan zu erhalten. Sobald diese vorliegen, will die neue Bundesregierung erneut ein Bundestagsmandat beantragen.

 

 

Frage 10:

Was haben OEF und ISAF miteinander zu tun?

 

Ursprünglich wurde ISAF nur zur Sicherung Kabuls und damit des Schutzes der Regierung Karsai eingesetzt.  Es bestand eine faktische Arbeitsteilung zwischen den militärisch operierenden US-Truppen und ihren Verbündeten, wie etwa Britannien, die im Rahmen von OEF den „Krieg gegen den Terror“ führten und den im Rahmen von ISAF eingesetzten Militärverbänden verschiedener Staaten, die in erster Linie absichernd tätig waren. Dennoch waren die beiden Operationen zu keinem Zeitpunkt organisatorisch strikt getrennt.

 

Die anfängliche institutionelle und räumliche Abgrenzung seit mehreren Jahren nicht mehr. Seit 2003 steht ISAF unter Führung der NATO. Seit Oktober 2006 erstreckt sich das Einsatzgebiet von  ISAF unter NATO-Führung auf das gesamte Land. Nicht mehr nur in Kabul und Umgebung, nicht mehr nur auf den Norden Afghanistans.  Faktisch sind OEF und ISAF seit 2006 verschmolzen – auch wenn in der deutschen Diskussion gerne ein Gegensatz zwischen beiden Missionen aufgebauscht wurde. Ein großer Teil der  US-Truppen, die im Rahmen von OEF Krieg gegen die Taliban geführt hatten, wurde 2006 bei ISAF integriert. Im Einsatzkonzept der NATO für den ISAF-Einsatz wurde die Ausweitung von ISAF auf den Osten Afghanistans als ein “Auswechseln der Wimpel der OEF-Truppen” beschrieben [34]

 

Auch in der Befehlsstruktur ist ISAF nicht unabhängig von OEF. Der GRÜNE Verteidigungspolitiker Winni Nachtwei problematisiert genau diese Verzahnung am Beispiel des Tornado-Einsatzes, bei dem er sich „eine saubere Trennung nicht vorstellen [35] kann. Damit steht er nicht allein, die Frankfurter Allgemeine sieht es am 25.6.07 ähnlich: „… bei der Weitergabe der einmal gemachten und ins Netz gestellten Bilder scheint eine Restriktion kaum mehr möglich. Die Anti-Terror- Operationen werden von einem amerikanischen General geleitet, der zugleich Regionalkommandeur von Isaf für den Ostteil Afghanistans ist. Diese ‚Doppelhut’-Lösung war ursprünglich vorgesehen mit einem Offizier im Hauptquartier, nicht in einem Regionalkommando. Sie wurde ausdrücklich mit der Absicht eingeführt, die beiden Operationen besser zu koordinieren.. „Der Mann kann ja nicht eine Mauer zwischen zwei Gehirnhälften, eine Isaf, eine OEF, errichten.

 

Die Niederschlagung militärischer Gruppen wie der Taliban und Anderer in Afghanistan ist vor 3 Jahren zu einer Aufgabe der ISAF geworden. Der vorher von den OEF-Truppen geführte Krieg wird seitdem von der ISAF durchgeführt und verantwortet. „Von der Schutztruppe zur Kampftruppe“ beschrieb diesen Wandel des ISAF Einsatzes etwa der ARD Korrespondent Christoph Heinzle [36] . Weiter Heinzle:

 

„Die Truppe habe ihr Mandat neu ausgelegt, so der langjährige UN-Diplomat und heutige EU-Afghanistanbeuftragte Francesc Vendrell: „Das Mandat wurde lange als friedenserhaltend interpretiert“, erklärt er. Und das, obwohl der UN-Sicherheitsrat die Isaf klar unter Kapitel 7 der UN-Charta gestellt hatte und die Isaf damit auch Frieden erzwingen dürfe. „Die Nato-Mitglieder haben erst jüngst erkannt, dass sie eine robustere Interpretation von Sicherheit für ihr Mandat brauchten“, so Vendrell.“

 

Wie sich diese Kriegsführung durch ISAF darstellt, beschreibt ARD-Korrespondent Heinzle so:

 

„Klares Zeichen für den Kurswechsel war im Sommer 2006 die „Operation Medusa“. Erstmals jagte die Isaf zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften aktiv Aufständische im instabilen Süden Afghanistans. Die Verluste auf beiden Seiten waren hoch. Im Juli hatte die Nato-geführte Isaf das Kommando im Süden von der US-geführten Anti-Terrorkoalition übernommen. Nun sollten massive Militäroperationen in klar definierten Gebieten mehr Sicherheit schaffen, um Wiederaufbau zu ermöglichen. Seitdem gibt es von der Isaf so genannte Präzisionsluftangriffe gegen Taliban-Führer, Flächenbombardements, Artilleriegefechte. Der Tod von 4000 Talibankämpfern, Zivilisten und Soldaten im vergangenen Jahr ging in der Mehrzahl auf Kämpfe mit Isaf-Beteiligung zurück [37] .

 

Im Rahmen der Frühjahrsoffensive 2007 der ISAF führte diese die „Operation Achilles“ durch, über die wie folgt berichtet wurde:

 

„Die bisher größte gemeinsame Operation von Briten, Holländern, Kanadiern, Amerikaner und Afghanen im krisengeschüttelten Land kündigte die Nato an. Insgesamt 5500 Bewaffnete seien in der Region Helmand im Süden des Landes dabei, Sicherheit und Ordnung wiederherzustellen, Taliban zu jagen und Drogenhändler zu vertreiben, so die Kampfparolen aus der Isaf-Zentrale. Auch wenn es nicht ausdrücklich gesagt wurde: Es war der Start der viel beschworenen Frühjahrsoffensive.“ [38]

 

In 2007 war eine Abgrenzung von ISAF Kampfeinsätzen und OEF Kampfeinsätzen immer weniger möglich. Anlässlich der Kampfhandlungen im Ende April 2007 im Bezirk Shindand in der westlichen Provinz Herat, bei der 50 Zivilisten starben, berichtete der ARD Korrespondent Heinzle:

 

„Kaum mehr erkennbar ist mittlerweile die Trennlinie zwischen der UN-mandatierten Schutztruppe Isaf und der US-geführten Anti-Terrorkoalition. Beide stehen unter amerikanischem Befehl. Manche Offiziere und Einheiten sind gleichzeitig beiden unterstellt. Beide Truppen operieren in denselben Regionen. Und nach Zwischenfällen wie dem gestrigen Bombardement von Taliban in der südafghanischen Unruheprovinz Kandahar wollen beide nicht wissen, wessen Operation das gewesen ist. Für die Einheimischen verstärkt das die Skepsis gegenüber „den Ausländern“. „Die afghanische Bevölkerung unterscheidet nicht“, so UN-Sprecher McNorton, „wer diese Operationen durchführt, wie einige von uns internationalen Kräften das tun.“ [39]

 

Selbst der Provinz-Gouverneur konnte nicht sagen, ob der Angriff von NATO-Truppen oder von Truppen der US-geführten Koalition geflogen wurde. [40]

 

Zu dem gerade in deutschen Medien und Politikkreisen weit verbreiteten Märchen, dass OEF-Einsätze mit der ISAF nichts zu tun hätten und diese bei ihrer Arbeit behindern würden, stellte der deutsche ISAF-General Kasdorf Anfang 2008 klar: „Es gibt den militärischen Grundsatz, dass in einem Raum möglichst einer führen sollte. Wir … haben eine ganz gute Organisation hinbekommen, wie wir zusammenwirken. OEF hat anerkannt, dass der Raum hier der Isaf ‚gehört’. Isaf macht die Vorgaben. Das hat die Konsequenz, dass von OEF nichts gemacht wird ohne unsere Zustimmung.“ [41]

 

 

Frage 11:

Wie sind die ISAF-Truppen, insbesondere die Bundeswehr, eigentlich bewaffnet, nur zum Selbstschutz oder verfügen die Truppen auch über Offensivwaffen?

 

Die ISAF-Truppen verfügen über modernste Offensivwaffen und sind den Aufständischen militärtechnisch haushoch überlegen. Deswegen stellen diese sich natürlich nicht offenen Feldschlachten, sondern wenden lieber Guerilla-Taktiken an und verüben Selbstmordanschläge.

 

Nicht nur bei Luftangriffen setzen die NATO-Truppen Waffen ein, die zivile Opfer nach sich ziehen. Karsai beschwerte sich im Juni 2007: „Man bekämpft keine Terroristen, indem man eine Kanone aus 37 Kilometer Entfernung auf ein Ziel abfeuert. Da muss es einfach zivile Opfer geben.“ [42] Über die eingesetzte Panzerhaubitze 2000 berichtet der deutsche Hersteller Krauss-Maffei Wegmann auf seiner Website stolz: „Operation ‚Medusa’ in Afghanistan 07.11.2006 … 185 Exemplare der Panzerhaubitze 2000 (PsH 2000) leisten in den deutschen Streitkräften ihren Dienst. Zuverlässig als hochpräzises Kampfunterstützungssystem. Im September bestand die PzH 2000 ihren ersten scharfen Kampfeinsatz – allerdings im Dienst der niederländischen Streitkräfte während einer ISAF-Mission im Süden Afghanistans… Im Verbund mit ca. 2000 afghanischen ANA- und ISAF-Soldaten leisteten die niederländischen Artilleristen über 30 Kilometer weit reichende Feuerunterstützung bei Gefechten gegen Taliban-Rückzugsgebiete…“ [43]

 

Die schnelle Eingreiftruppe, die die Bundeswehr seit Juli 2008 stellt, ist nicht nur mit „Maschinengewehren, Raketenwerfern und Mörsergranaten“ [44] ausgestattet, sondern verfügt auch über Schützenpanzer des Typs Marder mit entsprechender Offensivbewaffnung sowie modernste „Kampfausstattung neuester Technologie“ [45] für den Infanteristen.

 

Mit der Intensivierung des Krieges kamen 2009 die Offensivwaffen vermehrt zum Einsatz. Auch die Unterstützung durch US-Kampfflugzeuge wurde bereits vor dem 4.September 2009 (Bombardierung zweier Tanklastzüge bei Kundus) gelegentlich angefordert. Lühr Henken vom Hamburger Forum beschreibt die Lage so: »Seit dem 20. Juli kam es zu einer weiteren Eskalation. Angeführt von 900 afghanischen Soldaten, unterstützt von 300 Bundeswehrsoldaten der QRF und der Schutzkompanie, wurden in mindestens sechs Gefechten in der Nähe von Kundus Taliban angegriffen. Die FAZ charakterisierte diesen bisher größten Einsatz der Bundeswehr als einen „grundlegenden Wechsel aus der Defensive in die Offensive“ (FAZ 21.7.2009). Mit anderen Worten: Die Bundeswehr führt Krieg am Hindukusch. Erstmalig seit Einführung des Geräts im Jahr 1979 kamen die Bordwaffen der Schützenpanzer Marder zum Einsatz, „die mit ihren Maschinenkanonen Sprengbrandmunition verschossen haben. Zudem wurden erstmals Mörser mit Sprengmunition eingesetzt.“ (FAZ 22.7.2009)« [46]

 

Aus einem Bericht der Financial Times Deutschland: „Hans-Christoph Grohmann, Anführer der schnellen Eingreiftruppe, beschreibt die Stimmung seiner Kämpfer als „gut, aber nicht euphorisch“. Er spricht von ihrem Stolz, „die gestellten Aufträge professionell erfüllt zu haben“. Einen seiner Offiziere stellt er so vor: „Der erste Oberleutnant, der nach 1945 eine Infanterie-Kompanie im Angriff geführt hat.“

In Grohmanns Einheit macht man sich schon Gedanken, ob Ort und Datum der Schlachten nicht irgendwo verzeichnet werden sollten, im Wappen oder auf Bändchen unter der Fahne. Schließlich hat die Truppe in den vergangenen sechs Wochen acht Gefechte bestanden. „Wir haben getötet“, sagt Grohmann nur.“ [47]

 

 

Frage 12:

Was hat es mit der Taschenkarte der Bundeswehr auf sich?

 

In der Taschenkarte sind die Einsatzgrundsätze für die Bundeswehrsoldaten für den Afghanistan-Einsatz festgehalten und der Schusswaffengebrauch geregelt. Jahrelang arbeitete die Bundeswehr mit einer Taschenkarte, die suggerierte, dass die Bundeswehr in Afghanistan quasi einen Blauhelmeinsatz durchführen würde. Die Intensivierung des Krieges im deutschen Einsatzgebiet erforderte aus Sicht der Bundeswehrführung offenbar eine „Anpassung“, die mit den Offensivoperationen der Bundeswehr besser zusammenpasst.

Laut Süddeutscher Zeitung ist der „Kernpunkt der … Neuregelung … die Erlaubnis, Angriffe nicht nur abwehren zu dürfen, sondern erkennbar beabsichtigten Attacken schon im Vorfeld zu begegnen. So heißt es jetzt in der Taschenkarte: „Angriffe können zum Beispiel dadurch verhindert werden, dass gegen Personen vorgegangen wird, die Angriffe planen, vorbereiten, unterstützen oder ein sonstiges feindseliges Verhalten zeigen.““ [48] Damit ist die Genehmigung erteilt, präventiv vorzugehen. „Sonstiges feindseliges Verhalten“ ist eine Gummiformulierung, die alles und jedes abdecken kann. Unterm Strich ist damit die Bundeswehr-Taschenkarte auf die Erfordernisse der US-amerikanischen Aufstandsbekämpfungsdoktrin ausgerichtet worden.

 

Frage 13:

Immer wieder forderten die NATO-Verbündeten „Germans to the front!“, also, dass die Bundeswehr auch im Süden Afghanistans eingesetzt werden sollte. Wie ist dazu heute die deutsche Beschlusslage?

Der Slogan „Germans to the front“ ist eine interessante Anleihe aus der westlichen Kolonialgeschichte. In Afghanistan war nach erfolgtem Regime Change 2001 die Aufgabe, „die Durchsetzungsfähigkeit der Zentralregierung zu erhöhen“ [49] . Diese war von den intervenierenden westlichen Mächten eingesetzt worden, ähnlich wie es vor 100 oder 150 Jahren imperiale Kolonialmächte in ihren Kolonien praktizierten. Damals wollte man den Kolonialvölkern in Afrika, Indien oder China „Gutes“ tun, ihnen Kultur, die richtige Religion, wirtschaftliche Entwicklung und Fortschritt bringen. Widerstand wurde mit militärischen Mitteln gebrochen, in China z.B. beim Boxeraufstand im Jahre 1900. Bemerkenswert ist, dass in den deutschen Medien Parallelen zum Afghanistan-Krieg hergestellt wurden, indem in Tradition der damaligen Aufstandsbekämpfung der Ruf „Germans to the front“ von jenseits des Atlantiks oder aus Brüssel vernommen wurde. Der entsprechende Befehl war 1900 vom britischen Befehlshaber Admiral Seymour erteilt worden. Dieser führte damals eine „Koalition der Willigen“ an, die aus Briten, Franzosen, Russen, Japanern, Österreichern, Italienern, Amerikanern und Deutschen bestand. Sie schlug den Boxeraufstand nieder und stellte die koloniale Ordnung wieder her.

Was den Einsatz der Bundeswehr in Südafghanistan betrifft: Dieser ist seit langem möglich. Die Beschlusslage des Bundestages sieht seit 2005 so aus: „Deutsche Streitkräfte werden in den ISAF-Regionen Kabul und Nord eingesetzt. Darüber hinaus können sie in der ISAF-Region West sowie im Zuge der weiteren ISAF-Ausdehnung in anderen Regionen für zeitlich und im Umfang begrenzte Unterstützungsmaßnahmen eingesetzt werden, sofern diese Unterstützungsmaßnahmen zur Erfüllung des ISAF-Gesamtauftrages unabweisbar sind“ [50] Es handelt sich um einen gummiartigen Vorratsbeschluss, der formal den Einsatz von Bundeswehrtruppen jeder Art im Süden ermöglicht. Denn eine konkrete Begrenzung hinsichtlich Zeit und Umfang wurde nicht beschlossen. Auf dieser Grundlage waren bereits im Jahre 2006 Bundeswehrsoldaten im Süden tätig. Ebenso der 2007 begonnene Tornado-Einsatz: Er findet (auch) im Süden statt. Die von der Bundeswehr seit Juli 2008 gestellte schnelle Eingreiftruppe in Masar-i-Sharif kann ebenfalls außerhalb des Nordens zum Einsatz kommen, wie der zuständige Minister Jung klarstellte: „Wenn Freunde in Not geraden, werden wir helfen. Das gilt auch für die Quick Reaction Force.“ [51]

 

Joschka Fischer bezeichnete es 2008 als „großen Fehler“ der damaligen Regierung, dass Deutschland sich in den vergangenen zwei Jahren gegen Forderungen von Nato-Partnern wie Kanada und den USA gesperrt hat, die Bundeswehr auch im Süden Afghanistans einzusetzen [52] .

 

Denn in der Tat verlegte die Bundeswehr keine größeren Truppen in den Süden. Der banale Hintergrund ist:  Für den Fall, dass Deutschland auch im Süden stärker militärisch aktiv wird, dürfte der Norden nicht „entblößt“ werden. Unterm Strich hieße das also „Mehr Truppen!“: „Notwendig wäre … also eine Entsendung zusätzlicher Truppen. Militärisch sinnvoll wäre es unter den gegebenen Umständen, dem ISAF-Oberbefehlshaber Truppenverbände direkt zu unterstellen, die dann in ganz Afghanistan eingesetzt werden könnten. Ein zweckmäßiger deutscher Beitrag bestünde aus einem mit ausreichenden Aufklärungs-, Führungs- und Transportmitteln ausgestatteten und zeitlich zumindest mittelfristig durchhaltefähigen Gefechtverband der Division Spezielle Operationen (DSO). Die DSO verfügt als einzige Division des Heeres über eigene Sanitäts- und Logistikkräfte und kann somit weitgehend eigenständig und unabhängig von anderen Einheiten operieren.“ [53]

 

2009 sind die Stimmen, die mehr deutsches Engagement im Süden fordern, merklich verstummt. Denn im Norden hat sich der Krieg intensiviert, so dass die deutschen Truppen dort voll gebunden sind. Für die Zukunft ist sogar mit noch mehr Kampfhandlungen in Nordafghanistan zu rechnen, weil der Nachschub für die westlichen Afghanistan-Truppen verstärkt über den Norden abgewickelt werden soll:

 

„Der Hauptnachschubsweg von Europa über Russland und Zentralasien, den das deutsche Kontingent schon benutzt, wird in der Folge einer Öffnung für die amerikanische Logistik auch die strategische Hauptachse zur Stabilisierung Afghanistans werden. Damit wird dem deutschen Anteil eine zentrale militärische Funktion auch ohne Truppenverlegung in den Süden zuwachsen: die Grenz- und Nachschubsicherung im Norden…“ [54]

 

Dafür gibt es zwei Ursachen: Erstens ist die bisherige Hauptroute über Pakistan, über die 2008 etwa 80% des Nachschubs lief, ständigen Angriffen der Aufständischen ausgesetzt [55] :

•          „Taliban unterbrechen Nachschubroute der Nato“ (Handelsblatt 4.2.09)

•          »In Pakistan gibt es … Überfälle auf den Transportwegen. Deshalb würde ein Abkommen über den Landtransit durch Russland sehr helfen.« (NATO-Sprecher Appathurai bei seinem Besuch in Moskau im Dezember 2008); die Bundeswehr benutzt übrigens schon länger die russische Eisenbahn.

•          pakistanischer Khaibr-Spediteursverband erklärte im Dez08, „aus Sicherheitsgründen keine Transporte mehr für die Nato und das US-Militär übernehmen zu wollen. Die Risiken für Fahrer und Fahrzeuge seien zu groß… Zuvor stellte schon Karatschis Güterfrachtverband die Transporte für ausländische Truppen ein“ (taz-Meldung 18.12.08)

•          Anfang Januar 2009 wurde der Khyber-Pass einmal mehr zeitweise gesperrt, weil das pakistanische Militär eine „Offensive gegen Extremisten“ [56] unternahm. Die Konsequenzen waren bereits im August 2008, »dass mehrere Militärstützpunkte im Süden Afghanistans völlig unterversorgt« waren »und aus Mangel an Treibstoff ›alle Truppenbewegungen und Offensiven eingestellt haben‹.« [57]

•          „Nur wenige Stunden vor dem Anschlag hatten Extremisten in der Stadt einen Konvoi beschossen und in Brand gesetzt, der Versorgungsmaterial für die Nato-Truppen in Afghanistan geladen hatte.“ („Bombenanschlag in Peshawar“, FAZ 10.10.2009)

 

Zweitens erfordern mehr Truppen auch mehr Nachschub, d.h. die pakistanische Route allein würde gar nicht mehr ausreichen, um die schon jetzt ca. 110.000 Soldaten zu versorgen.

 

Lothar Rühl, in den 80er Jahren Staatssekretär im Verteidigungsministerium, analysiert in der FAZ:

„Die amerikanischen Streitkräfte haben den Aufbau von drei Nachschubsträngen aus Zentralasien nach Nordafghanistan eingeleitet, um von der überlasteten und unsicher gewordenen Route über den Khyberpass aus Pakistan unabhängiger zu werden… Die amerikanische Planung sieht eine Eisenbahn von Mazar-i-Sharif im Nordwesten über Herat im Westen sowie von Kandahar im Süden nach Kabul vor, etwa so wie der schon von den Russen in ihrem Interventionskrieg angelegte Straßenring.“ [58]

 

 

Frage 14:

Die Taliban haben nach ihrer Vertreibung aus Afghanistan 2001 in Pakistan neue Stützpunkte und Ausbildungslager aufgebaut. Immer wieder gibt es Meldungen, dass westliche Kampfflugzeuge oder Drohnen von Afghanistan aus pakistanische Gebiete in Wasiristan bombardieren, um Taliban-Stellungen zu vernichten. Sind an diesen Luftangriffen außer den USA weitere NATO-Staaten beteiligt? Auf welcher völkerrechtlichen Grundlage und unter welchem Mandat finden diese Angriffe statt?

 

Seit Jahren kommt es zu Luftangriffen auf pakistanisches Gebiet: Diese gehen hauptsächlich von den US-geführten OEF-Truppen aus, aber auch ISAF-Truppen sind beteiligt: Am 17. Juli 2008 hatten ISAF-Truppen erstmals Operationen auf pakistanischem Gebiet eingestanden. [59] Im November 2008 teilte die ISAF mit, sie habe in Selbstverteidigung »20 Artelleriegranaten auf die feindliche Stellung« auf pakistanischen Gebiet gefeuert; dabei habe sie sich »mit dem pakistanischen Militär koordiniert«. [60]

 

Seit Amtsantritt der Obama-Regierung haben die Drohnenangriffe noch zugenommen. Mittlerweile wird alle 1 bis 2 Wochen über einen entsprechenden US-Angriff berichtet. Ein sogenannter „Biden-Plan“ vom Oktober 2009 sieht sogar noch „den verstärkten Einsatz der Luftwaffe und unbemannter Drohnen … im afghanischen Grenzgebiet und eine Konzentration des Kampfes gegen den Terrorismus auf Pakistan vor.“ [61]

 

Selbstverständlich sind all diese Angriffe völkerrechtswidrig.

 

Karsai drohte im Juni 2008 „mit Angriffen auf Stellungen der Aufständischen im Nachbarland Pakistan… Sein Land sei ein ‚Opfer des Terrorismus’, der auf der pakistanischen Seite der gemeinsamen Grenze seinen Ursprung habe.“ [62] Da „tausende Taliban-Kämpfer“ von Pakistan nach Afghanistan „entsandt“ würden, nimmt Karsai „ein Recht auf ‚Selbstverteidigung’“ in Anspruch. Dies könnte aus Artikel 51 der UN-Charta abgeleitet werden. Da das afghanische Militär gegen die hochgerüstete Atommacht Pakistan wenig Chancen auf einen militärischen Sieg hätte, könnte Karsai seine NATO-Verbündeten zu Hilfe rufen, um aus der individuellen Selbstverteidigung eine kollektive zu machen. Allerdings darf nur agiert werden, solange der UN-Sicherheitsrat noch nicht tätig wurde, also noch keine Maßnahmen beschlossen hat. Die US-Regierung hat allerdings nicht einmal den Versuch gemacht, eine solche Rechtfertigung für die Raketenangriffe auf Pakistan zu präsentieren.

 

Interessant ist aber die Parallele zum 2001 begonnenen Afghanistan-Krieg: Bekanntermaßen wurde und wird der OEF-Einsatz mit dem Selbstverteidigungsrecht der USA wegen des 11.Septembers begründet. Die Taliban duldeten bis 2001 Al-Qaida-Ausbildungslager („Terror-Camps“) und wurden daraufhin mit Krieg überzogen. Die gleiche Logik würde Bomben auf Pakistan, eine Besetzung mindestens Wasiristans und einen Regime-Change in Islamabad nahe legen – zumal der pakistanische Geheimdienst die Taliban aktiv unterstützt.

 

Dass die Taliban sich in den halbautonomen Stammesgebieten im Nordwesten Pakistans so gut zu Hause fühlen, hat erstens damit zu tun, dass die koloniale Grenzziehung sich nicht an ethnischen Logiken orientierte; entsprechend ignorieren die betroffenen Ethnien die Grenze. Der langjährige pakistanische Außenminister, Kasuri, sprach in einem Interview mit der FAZ von „täglich 30 000 Grenzgängern, viele Paschtunen ohne Papiere, mit Bärten zum Verwechseln ähnlich mit ihren pakistanischen Stammesbrüdern.“ [63] Afghanistan hat die von den britischen Kolonialherren veranlasste Grenzziehung gegenüber Pakistan bis heute nicht anerkannt. Zweitens wurde von Wasiristan, Belutschistan und den anderen pakistanischen Stammesgebieten aus während des sowjetischen Afghanistan-Krieges der Widerstand organisiert. Man ist also auf vertrautem Territorium.

 

Die pakistanischen Vorschläge, die Grenze zu verminen oder einen Grenzzaun zu errichten, fanden übrigens bisher in den NATO-Hauptstädten keinen Anklang.

 

Inzwischen geht von den Taliban sogar eine ernsthafte Gefährdung für den pakistanischen Staat aus. Der Bürgerkrieg in Pakistan, bei dem pakistanische Taliban gegen Regierungstruppen kämpfen, hat 2009 noch an Intensität gewonnen. Im Oktober 2009 griffen Taliban sogar das Hauptquartier der Armee in Pakistan an und nahmen Geiseln. Allein 2007 starben dabei 3.600 Personen. In den letzten Jahren sind insgesamt schätzungsweise 1.500 Soldaten getötet worden, Tendenz steigend. [64] Das sind mehr Gefallene als die westlichen Staaten bisher in Afghanistan zu beklagen haben.

 

Die Entwicklungen in Pakistan wirken sich auch auf das Kriegsgeschehen in Afghanistan aus, denn tendenziell bedroht der talibanische Vormarsch auch die Nachschubswege der NATO, namentlich in der an Peshawar angrenzenden ‚Khyber Agency’, durch die der wichtigste Pass nach Afghanistan verläuft. [65] Die Entwicklung dürfte die NATO nicht überraschen, denn die Taliban hatten im März 2008 angekündigt, sich auf diesen neuralgischen Punkt konzentrieren zu wollen [66] . Für die Taliban ist der Krieg in Afghanistan und Pakistan gewissermaßen ein Krieg. Auch die US-Regierung fasst inzwischen beide Länder zusammen und spricht von einer Afpak-Strategie. Entsprechend verschwimmen in der konkreten Kriegsführung die Grenzen zunehmend: Immer häufiger werden Aufständische auf pakistanische Gebiet verfolgt und pakistanisches Territorium beschossen. Gelegentlich werden auch die Falschen getroffen, wie bei einem US-Luftangriff auf einen pakistanischen Militärposten am 10.Juni 2008; 11 pakistanische Soldaten kamen ums Leben [67] .

 

 

 

 

 

Frage 15:

Die neue US-Regierung unter Obama hat in den ersten Monaten einen Strategiewechsel vorgenommen. Worin unterscheidet sich die US-Strategie heute von der früheren unter der Bush-II-Regierung?

 

Der US-Präsident Obama definierte das Ziel für den Afghanistan-Krieg am 27.3.09 so: „Ich möchte, dass die Amerikaner verstehen, dass wir ein klares und scharf umrissenes Ziel haben: die Al Kaida in Pakistan und Afghanistan zu behindern, zu zerschlagen und zu besiegen und ihre Rückkehr in beide Länder in Zukunft zu verhindern. Dieses Ziel muss erreicht werden.“ [68] Das ist eine wenig verklausulierte Absage an ehrgeizige Nation-Buildung-Pläne bzw. Regime Change nicht nur in Kabul, sondern auch in der Lokalpolitik.

 

Die ZEIT fasste zusammen: „Präsident Barack Obamas neue Afghanistan-Strategie stützt sich auf fünf Pfeiler. Er verdoppelt die Zahl der US-Truppen. Er weitet die Ausbildung afghanischer Soldaten und Polizisten aus. Er verstärkt den zivilen Wiederaufbau. Er trägt den Kampf gegen den Widerstand nach Pakistan, wie er überhaupt von einer gemeinsamen Strategie für beide Länder sprach. Und er möchte einzelne Gruppen aus dem Widerstand herausbrechen…“ [69]

 

Entsprechend wurden zusätzliche militärische wie auch zivile Mittel mobilisiert. Im Zentrum der „neuen“ Strategie stand wie in den vergangenen Jahren die Erhöhung der militärischen Dosis: 2009 stockten die USA ihre Truppenzahl um 30.000 zusätzliche Soldaten auf, die Budgets wurden angehoben. „Der Präsident hat entschieden, dass er diesen Krieg richtig ausstatten wird“ [70] , wird ein namentlich nicht genannter US-Regierungsvertreter zitiert. Militärisch geht es unverändert um Aufstandsbekämpfung (= Counterinsurgency/COIN). Seit Anfang 2009 werden mehr Drohnen-Luftangriffe gegen Ziele in Pakistan geflogen; gleichzeitig erhält Pakistan jährliche Hilfszahlungen in Höhe von 1,5 Mrd. US-$. Die Zahlungen wurden inzwischen an Fortschritte bei der Aufstandsbekämpfung in Pakistan selbst gekoppelt.

 

Nach einem halben Jahr US-„Strategiewechsel“ ist der Krieg in Afghanistan intensiviert und verstärkt auf Pakistan ausgeweitet worden. Tausende Tote sind zu beklagen. Die politischen Ziele wurden gleichzeitig nicht erreicht, so dass im Herbst 2009 der nächste Strategiewechsel diskutiert wird – mit weiteren 30.000 US-Soldaten als wichtigstem Element. Außerdem hat man inzwischen neue, alte Bündnispartner: die örtliche Warlords, die wieder bewaffnet werden. „Mit den Mudschahedin gegen die Taliban“ titelte die FAZ am 5.11.2009. Die Arbeitsteilung sieht so aus: Die US-Luftwaffe bombardiert, anschließend rücken die Mudschahedin-Kämpfer nach. Damit wird die Macht der afghanischen Zentralregierung von US-Seite unterminiert.

 

Der GRÜNE Verteidigungspolitiker Winni Nachtwei sieht die aktuelle US-Strategie eher positiv: „Um die Abwärtsspirale umzukehren, haben die USA zentrale Schritte eines Strategiewechsels eingeleitet, ihre diplomatischen, militärischen und zivilen Anstrengungen massiv verstärkt: regionale Konfliktlösung, differenzierte Sicht der regierungsfeindlichen Kräfte und Suche nach Verhandlungslösungen, forcierte Aufbauanstrengungen, das zweischneidige Schwert eines massiven Truppenaufwuchses. Einiges deutet darauf hin, dass die USA ernst machen mit dem Anspruch ihrer neueren Militärdoktrin, wonach der Schutz und die Zustimmung der Bevölkerung und nicht die Gegnerbekämpfung der Dreh- und Angelpunkt sein soll. (vgl. die in diesem Sinne sehr eindeutige Tactical Directive des neuen ISAF-Kommandeurs McChrystal vom 6.7.2009)“. [71]

 

McChrystals neue „taktische Direktive“ besagt laut Neue Zürcher Zeitung Folgendes: Truppen, „die bei der Bekämpfung von Taliban-Kräften unter Feuer geraten, (müssen) sich künftig zurückziehen, wenn die Gefahr besteht, dass Gegenwehr und vor allem der unterstützende Einsatz von Luftstreitkräften Opfer unter der Bevölkerung fordern können. […] Allerdings gibt es Ausnahmen von der Regel, wenn die Soldaten in lebensgefährliche Situationen geraten. So darf weiterhin der Einsatz von schweren Waffen und Kampfflugzeugen angefordert werden, wenn das Risiko besteht, überrannt zu werden. Dasselbe gilt, wenn es schwierig ist, in sicherer Weise abzuziehen oder Verwundete zu bergen.“ [72] Luftschläge, die in den vergangenen Jahren viele ZivilistInnen das Leben gekostet haben, bleiben also mit der Einsatztaktik kompatibel. Es wird auch in Zukunft keinen „sauberen“ Krieg geben.

 

 

 

 

 

 

Frage 16

Wie steht Russland eigentlich zu dem Afghanistan-Krieg der NATO?

 

Russland hat den Afghanistan-Krieg von USA und NATO von Anfang an unterstützt, nicht nur bei den Resolutionen im Sicherheitsrat, die der ISAF einen völkerrechtlichen Rahmen gaben.

 

Präsident Putin sicherte den USA am 24.September 2001 folgende Unterstützungsleistungen zu:

 

„Was die sich in Planung befindliche Antiterroroperation in Afghanistan betrifft, so formulieren wir unsere Position wie folgt.

Erstens ist das eine aktive internationale Kooperation der Geheimdienste. Russland stellt die bei uns vorhandene Information über die Infrastruktur, Aufenthaltsorte internationaler Terroristen und Trainingslager der Kämpfer zur Verfügung und will es auch weiterhin tun.

Zweitens. Wir sind bereit, den Luftraum der Russischen Föderation für den Durchflug von Flugzeugen mit humanitären Gütern an Bord zum Durchführungsort der Antiterroroperation zugänglich zu machen.

Drittens. Wir haben diese Position mit unseren Verbündeten aus der Reihe der mittelasiatischen Staaten abgestimmt. Sie teilen diese Position und schließen für sich die Möglichkeit nicht aus, ihre Flugplätze zur Verfügung zu stellen.

Viertens. Russland ist auch bereit, falls es notwendig sein wird, sich an den internationalen Such- und Rettungsoperationen zu beteiligen.

Fünftens. Wir werden die Kooperation mit der international anerkannten Regierung Afghanistans mit dem Herrn Rabbani an der Spitze erweitern und ihren Streitkräften eine zusätzliche Hilfe in Form von Waffen- und Kampftechniklieferungen erweisen.“ [73]

 

Entsprechend konnten für OEF Stützpunkte in Usbekistan, Kirgisistan und Turkmenistan genutzt werden. Die afghanische Nordallianz, die seit dem Abzug der sowjetischen Truppen jahrelang Militärhilfe aus der Sowjetunion und später aus Russland erhielt und dadurch den Taliban die Eroberung des nördlichen Teils von Afghanistan verwehrte, wurde selbstverständlich weiter mit Waffen unterstützt. Als die US-Luftangriffe auf Afghanistan im Oktober 2001 begannen, lieferte Russland der Nordallianz kurzfristig Militärausrüstung im Wert von 45 Millionen US-$. [74] Mit Hilfe dieser afghanischen Oppositionstruppen konnten die USA mit ihren internationalen Verbündeten in wenigen Monaten die Taliban stürzen und in den Untergrund zwingen bzw. nach Pakistan vertreiben.

 

Das Verhalten Russland im Herbst 2001 bedeutete keinen Politikwechsel: Russland hatte nach dem Abzug der sowjetischen Truppen jahrelang die Nordallianz mit Militärhilfe unterstützt. 1998 war es Russland zeitweise gelungen, die USA und andere Staaten gegen die afghanische Taliban-Regierung in Stellung zu bringen. Nach den Terroranschlägen auf die US-Botschaften in Dar es Salam und Nairobi griff die US-Luftwaffe im August 1998 Ausbildungslager in Afghanistan mit Cruise Missiles an. Da gleichzeitig die Taliban die Nordallianz erfolgreich militärisch zurückdrängten, beschloss der UN-Sicherheitsrat am 29.08.1998 eine Resolution, die sowohl die Militäroffensive der Taliban als „ernsthafte und wachsende Bedrohung für den regionalen und internationalen Frieden und die Sicherheit“ charakterisierte, als die Forderung erhob, „die Beherbergung und das Training von Terroristen und deren Organisationen zu unterlassen“ [75] . 1999 bewegten sich die USA „in der Afghanistan-Frage auf Russland zu. Karl Inderfurth, Sondergesandter des Außenministeriums für Südasien, reist nach Moskau. Ganz offensichtlich unterscheiden sich die Positionen von Russen und Amerikanern kaum“, urteilt der französische Journalist Abramovici und zitiert Inderfurth mit den Worten: „Afghanistan, und darin liegt eine gewisse Ironie, ist ein Teil der Welt, in dem Russen und Amerikaner zusammen zu einer Lösung gelangen könnten.“ [76]

Dennoch dauerte es noch bis September 2001, bis die NATO-Staaten die russische Position zu Afghanistan konsequent übernahmen. Nachdem afghanische Bündnispartner des Westens aus den 80er Jahren inzwischen tödliche Gegner geworden sind, ziehen Russland und die NATO in Afghanistan an einem Strang.

 

Vor dem Hintergrund des sowjetischen Afghanistankrieges beschränkt sich Russland jedoch auf Unterstützungsleistungen und beteiligt sich nicht mit eigenen Truppen, sondern überlässt „der ISAF das schwierige Terrain“ [77] , also der NATO die Drecksarbeit. Im Grunde führt also die NATO in Afghanistan den Krieg für Russland mit.

2003 schlossen Deutschland und Russland ein Transitabkommen über deutsche Militärtransporte durch Russland. Das Hamburger Abendblatt titelte „Bundeswehr rollt durch Russland“ und beschrieb den Vorgang so: „Ein derartiges Abkommen hat Russland noch nie zuvor mit einem NATO-Staat unterzeichnet… Der russische Präsident Wladimir Putin sagte, das Abkommen sei ein Beispiel für die praktische Zusammenarbeit mit der NATO. Es ist für die Bundeswehr vor allem wegen der geplanten Ausweitung ihres Afghanistan-Einsatzes auf die Region Kundus im Norden des Landes wichtig… Die deutsche Armee kann künftig also Truppen, Waffen und Gerät quer durch Russland nach Afghanistan bringen.“

Aber erst nachdem die Obama-Regierung versprach, die Reset-Taste im Verhältnis zu Russland zu drücken, nahmen die Militärplanungen Fahrt auf. Am 4.März 2009 meldete die Neue Zürcher Zeitung: „Russland hat einen Güterzug mit Nachschub für die amerikanischen Truppen in Afghanistan die Durchreise erlaubt. Der Zug sei aus Lettland gekommen und habe Russland in Richtung Afghanistan durchquert… Bei der Fracht handele es sich um nichtmilitärische Güter wie Baumaterial.“ Und im Juli 2009 war es dann soweit:

„Am Montag wurde ein Rahmendokument für die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern … und ein Abkommen unterzeichnet, das es Amerika erlaubt, militärische Güter für die in Afghanistan kämpfenden Truppen sowie militärisches Personal auf dem Landweg oder durch den Luftraum Russlands zu transportieren… Medwedjew versprach, der Transitweg durch Russland für den Transport von Gütern und Ausrüstung der internationalen Truppen solle aktiviert werden.“ [78]

 

Das Interesse Russlands an einem Sieg der NATO im Afghanistan-Krieg und an der Stützung der afghanischen Karsai-Regierung war auch beim Bukarester NATO-Gipfel 2008 ungebrochen. Der NATO-Russland-Rat „war sich darin einig, dass der Erfolg der internationalen Bemühungen um die Unterstützung der Anstrengungen der afghanischen Regierung zur Förderung von Frieden und Stabilität in und um Afghanistan von größter Bedeutung ist. Hierfür wurde ein Mechanismus definiert, der den Transit von Waren für die ISAF auf dem Landweg durch russisches Hoheitsgebiet in Übereinstimmung mit der Resolution 1386 des VN-Sicherheitsrats erleichtert.“ [79]

 

Selbst nachdem die NATO wegen der Differenzen um den Südossetien-Krieg im August 2008 den NATO-Russland-Rat auf Eis gelegt hatte und Russland die militärische Zusammenarbeit mit der NATO erst einmal stornierte, gab es einen Bereich, in dem weiter an einem Strang gezogen wurde: Der Afghanistan-Krieg. Die dpa zitierte am 22.8.08 russische Militärs. Danach stände die Afghanistan-Kooperation nicht zur Diskussion: „Uns käme eine Niederlage der Nato in Afghanistan nicht gelegen.“ [80] Die russische Interessenlage beschreibt Rogosin (russischer Vertreter bei der NATO) so: Er sagte, „entweder trage die Allianz den Sieg davon, was gegenwärtig kaum wahrscheinlich sei, oder die Nato werde noch auf absehbare Zeit in Afghanistan bleiben und die Kämpfer der Taliban, von Al Qaida und anderen Terrorgruppen auf sich ziehen… Am wahrscheinlichsten sei jedoch, dass sich die Nato bald aus Afghanistan zurückziehe – und dann werde es für Russland gefährlich. Ein Rückzug der Nato würde von allen Extremisten, die sich in und um Afghanistan tummeln, als Einladung aufgefasst, den Kampf über die Grenzen Afghanistans hinaus nach Norden zu tragen… Um sich schließlich gegen Russland zu wenden… Das sei der Grund, weshalb Russland ein ‚objektives Interesse‘ am Erfolg des Westens in Afghanistan habe…“ [81]

 

 

Frage 17:

Welche Legitimation hat die Karsai-Regierung?

 

Die afghanischen Präsidentschaftswahlen im August 2009 wurden nach Auffassung der UNO und auch der westlichen Mächte, die auf die Wahlen gedrängt und sie ermöglicht hatten, massiv gefälscht. Da Abdullah Abdullah, der Gegenkandidat von Karsai, an einem zweiten Wahlgang kein tiefergehendes Interesse hatte, wurde der „Wahlfälscher“ [3] Karsai wieder zum Präsidenten ernannt. Und die westlichen Regierungen gratulierten dem neuen, alten Präsidenten.

 

Diesen fällt es natürlich schwer, sich gegen das Karsai-Regime zu stellen – denn schließlich haben sie es selbst 2001 installiert. Um den Vorgang besser zu legitimieren, hatte Deutschland im Herbst 2001 die Petersberger Konferenz ausgerichtet, dazu wurden Repräsentanten genehmer afghanischer Gruppierungen eingeladen. Die Taliban oder andere Aufständische von heute waren selbstverständlich nicht präsent.

 

Von 2001-2005 regierte Karsai so gesehen als vom Westen ernannter Präsident. Erst 2005 wurden die ersten Wahlen organisiert, aus denen Karsai nunmehr als „gewählter Präsident“ hervorging. Die Afghanistan-Expertin von SWP, Citha Maaß, merkte im Februar 2007 an: „Die Regierung wird sich mittels Wahlen formal durch die Wähler legitimieren lassen. Dort ist kaum zu erwarten, dass diesen Wahlen das internationale Gütesiegel ‚frei und fair’ verliehen wird. Schon in den bisherigen Wahlgängen hatte die internationale Gemeinschaft davon abgesehen, international geltende demokratische Standards anzulegen.“ Sie verwies exemplarisch auf die Bewertung der EU-Wahlbeobachtungskommission von 2005, die auf „Unregelmäßigkeiten und Betrug“ bei den damaligen Wahlen hinwies. [82]

 

Da der „Demokratie-Export nach Afghanistan gescheitert“ [4] sei, wird auch hier und da mit einem Diktator geliebäugelt, den der Westen installieren könnte. Der entsprechende Vorschlag des britischen Botschafters in Afghanistan, Sir Sherard Cowper-Coles, sickerte Oktober 2008 an die Presse durch: “Within 5 to 10 years, the only “realistic” way to unite Afghanistan would be for it to be “governed by an acceptable dictator,” … , adding, “We should think of preparing our public opinion” for such an outcome.” [83] Sven Hansen von der taz kommentierte bereits September 2009: „Das Maximum, das der Westen in Afghanistan noch erhoffen kann, ist, einen autoritären Potentaten zu hinterlassen, der getreu dem US-amerikanischen Bonmot „Er ist ein Hurensohn, aber er ist unser Hurensohn“, der die Regierung auf prowestlichem Kurs hält.“ [84]

 

Letztlich ist die Entscheidung, mit einem ernannten oder gewählten afghanischen Präsidenten zu arbeiten, ohnehin sekundär: Der in Deutschland lebende afghanische Politologe Baraki kritisiert, dass Karsai selbst in Kabul nicht die Macht hat, denn dort entschieden die US-Berater: „Als es vor zwei Jahren mit Ismail Kahn, dem Gouverneur von Herat, Probleme gab, weil der nicht genügend Steuergelder nach Kabul überwies, wurde der Unbotmäßige nicht von Karzai, sondern von US-Botschafter Khalizad aus seinem Amt entlassen. Eine öffentliche Blamage für Karzai, weil Khalizad vor der internationalen Presse erklärte: ‚Dies ist zwar Aufgabe des Präsidenten, doch habe ich Ismail Khan gefeuert.’“ [85]

 

Malalai Dschoja, Mitglied des afghanischen Parlaments und engagierte Frauenrechtlerin hat die Regierung Karsai so beschrieben: „Die afghanische Regierung ist die korrupteste und unpopulärste der Welt. In einer Umfrage von Integrity Watch Afghanistan vom März 2007 zeigte sich, dass über 60 Prozent der Afghanen denken, dass die derzeitige Regierung korrupter ist als all die Vorgängerregierungen der letzten zwei Jahrzehnte.“ [86]

 

Guttenberg bemerkte unlängst: „Wir müssen anscheinend akzeptieren, dass Afghanistan nicht eine Westminster-Demokratie werden wird.“ [87]

 

 

Frage 18:

Wer sind die Machthaber in den Provinzen Afghanistans, auf die sich die NATO stützt?

 

Im Westen ist man (nicht erst seit den „Wahlen“ August 2009) mit Karsai nicht unumschränkt zufrieden und überlegt deswegen stärkere koloniale Einflussnahme: „Der Westen muss auf eine Stärkung der Provinzgouverneure dringen und darauf, dass diese Posten mit integren Politikern besetzt werden. Und er könnte diejenigen, die er für fähig und integer hält, noch stärker fördern, ihnen notfalls an der Zentralregierung vorbei Geld in die Hand geben.“ [88]

 

Um welche politischen Kräfte es dabei geht, machten die Reaktionen von afghanischer Seite auf den Tod zahlreicher Dorfbewohner nach dem von der Bundeswehr veranlassten Bombardement am 4.9.deutlich: Mohammed Omar, Gouverneur der Provinz Kunduz bezeichnete das Vorgehen der Bundeswehr am 4.9.2009  als “vorbildlich”. Der zuständige Oberst Georg Klein habe „die richtige Entscheidung zur richtigen Zeit getroffen und dabei sehr besonnen gehandelt“, sagte Mohammed Omar dem Spiegel [89] Die FAZ zitiert Äußerungen wie: “Das haben die Deutschen richtig gut gemacht…ich bin auch der Meinung, dass die Deutschen ein ganzes Dorf bestrafen sollten, wenn sie von dort beschossen werden.” [90] Und der Vorsitzende des Provinzrates Ahmadullah Wardak meinte gar: “Wenn wir noch drei Operationen wie gestern durchführen, dann ist die Situation in Kunduz friedlich und stabil“ [91] In der FAZ vermerkte Friederike Böge dazu treffend:  “In Kunduz lässt der Vorfall die ethnischen Spannungen, die sich in der nördlichen Provinz seit längerem verschärfen, deutlich zutage treten.” [92] Deutlich wird damit insbesondere, dass die Bundeswehr auf der Seite einer Partei in den bei Beginn der Intervention 2001 keineswegs beendeten afghanischer Bürgerkrieg eingetreten sind. Es war der Einsatz der westlichen Truppen, der das Blatt 2001 zu Gunsten der Nordallianz in diesem Bürgerkrieg  wendete, die als Bodentruppe des Westens in Kabul einmarschierte. Die Bundeswehr war folglich im Bereich der “Verbündeten” stationiert. Die Friedlichkeit der Lage im Norden Afghanistans war daher weniger einem sensiblen Handeln der Bundeswehreinsatzkräfte geschuldet, als vielmehr dem Umstand, dass sie als Verbündeter betrachtet wird. Deshalb haben die dortigen Autoritäten auch gar nichts gegen einen Einsatz wie am 4.9. einzuwenden, gilt er doch dem paschtunischen Feind. Künftige Solidaritätsadressen “afghanischer Persönlichkeiten” sollte man deshalb künftig etwas kritischer betrachten.

 

Die FAZ porträtiert am 5.11.2009 einen mit dem Westen verbündeten Milizenführer: Miralam Khan. Dessen Miliz wurde offenbar von den USA wiederbewaffnet und dient nunmehr als Bodentruppe. Khan „ist der neue Held von Kundus. In den Teehäusern und Eisdielen der Stadt wird sein Name ehrfurchtsvoll ausgesprochen. Viele sind davon überzeugt, dass der frühere Mudschahedin-Kommandeur im Alleingang zahlreiche Dörfer der nordafghanischen Provinz von den radikalislamischen Taliban ‚befreit’ hat. Dass er dabei das Gesetz in die eigenen Hände nahm, scheint bislang nur wenige zu stören.“ [93]

 

 

Frage 19:

Vielfach wird der Einfluss der Taliban im Süden und Osten Afghanistans darauf zurückgeführt, dass die Menschen dort wenig bis keine westliche Hilfe erhalten. Aus wirtschaftlicher Not komme es dort zu einem verstärkten Opiumanbau. Deshalb müsse ISAF militärisch in diesen Landesteilen intervenieren, um Hilfeleistungen ermöglichen. Ist das richtig?

 

Entgegen einem vielfach vermittelten Eindruck ist der Süden und Osten Afghanistans nicht ärmer als der Norden. Das Gegenteil ist richtig: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen von Bauernfamilien im Norden Afghanistans ist deutlich niedriger, als im Süden. Dies ergibt sich aus einer Studie der Vereinten Nationen [94] . Bauern, die kein Opium anbauen, erzielen im Norden pro Jahr ein Einkommen von 1851 US$, im Süden von 2480 US$. Mit Opium erzielen Bauern im Norden ein Einkommen von 2690 US$ im Süden sind es 3316 US$. Das ist etwa das Dreifache Einkommen eines Bauern im Nordosten Afghanistans, der kein Opium anbaut. Der von den Taliban beherrschte Süden Afghanistans ist also der relativ wohlhabendere Teil des Landes. In der Süd-Provinz Helmand sind 80% der Bauern an der Opiumproduktion beteiligt, die 35 % ihres Einkommens ausmacht.

 

Frage 20:

Wie ist eigentlich die Zusammenarbeit von Militär und Hilfsorganisationen in Afghanistan organisiert?

 

Das in Afghanistan heute angewendete und von vielen SpitzenpolitikerInnen hochgelobte Konzept der „zivil-militärischen Kooperation“ ist bereits Mitte der 90er Jahre von der NATO als „Friedensunterstützung“ (peace support operations) eingeführt worden. Darin werden hinsichtlich der zivilen Bereiche zwei Grundsätze betont:

1.       Einheit des Kommandos: Der Truppenkommandeur muss verantwortlich für alle Aspekte der Mission sein, d.h. er muss nicht nur das Oberkommando über alle operierenden militärischen Verbände haben, sondern ihm müssen auch Polizei oder andere zivile Stellen untergeordnet sein.

2.       Militärisch-zivile Koordination: Friedensunterstützungsoperationen bestehen üblicherweise aus militärischen und zivilen Komponenten. Aktivitäten der UN Polizei, von Wahlbeobachtern, Menschenrechtsbeobachtern oder humanitären Hilfsorganisationen müssen auf die militärischen Operationen abgestimmt sein. [95]

 

Diese Unterordnung des zivilen Sektors unters Militär ist weder naturgegeben, noch Voraussetzung für den Erfolg von ziviler Aufbauarbeit oder Hilfsmaßnahmen. Die steigende Zahl von Opfern aus dem Bereich ziviler Hilfsorganisationen zeigen, dass diese nicht mehr als „neutrale“, „selbstlose“ HelferInnen, sondern als Anhängsel der militärischen Besatzungstruppen wahrgenommen werden.

 

Eine vom Bundesverteidigungsministerium in Auftrag gegebene Studie [96] hat die Zivil-miliärische Zusammenarbeit genauer analysiert: Darin heißt es: „Aus der asymetrischen Bedrohungslage in Afghanistan folgt auch aus Sicht des BMVg die Notwendigkeit die Akzeptanz der afghanischen Bevölkerung gegenüber zivilen und militärischen Maßnahmen zu gewinnen bzw. zu erhalten( S. 17) ..Kleinprojekte werden vom Militär als Quick Impact Maßnahmen im engeren Sinn verstanden, wobei sich die erwünschte schnelle Wirkung nach militärischen Zielsetzungen definiert. Dabei steht die Akzeptanz der Bevölkerung gegenüber dem Militär im Allgemeinen und der Bundeswehr im Speziellen im Vordergrund. Letztlich sollen diese Maßnahmen dadurch der eigenen Bewegungsfreiheit und der Force Protection dienen.(…) Neben der allgemeinen Erwartung, dass mehr Sichtbarkeit über Projektarbeit in der Fläche die Akzeptanz der deutschen Präsenz fördere und damit allen beteiligten Ressorts zugutekomme, kamen in den Interviews in Kunduz weitere mögliche Vorteile zur Sprache: Zur zeitnahmen Aufklärung des zivilen Lagebildes in Gemeinden, Gemeindegruppen und Distrikten sei es nötig, diese regelmäßig mit von der Zielgruppe nachvollziehbaren Begründungen zu besuchen. (S. 18)“ Damit wird offen ausgesprochen, dass seitens der Bundeswehr die zivile Hilfe Teil der Absicherung der militärischen Maßnahmen ist. Es kann daher nicht vermundern, wenn eine derart instrumentelle zivile „Hilfe“ auch von der Gegenseite, also den Aufständischen, als genau diesem militärischen Zweck dienend wahrgenommen wird. Gerade dieser Zusammenhang zwischen militärischem Einsatz und „ziviler“ Hilfe macht letztere zum Angriffsobjekt.

 

Frage 21:

Muss nicht die Bundeswehr in Afghanistan bleiben, um für die Hilfsorganisationen und zivilen Projekte ein sicheres Umfeld zu schaffen?

 

Das Argument, zivile Hilfe und Entwicklung bedürften des militärischen Schutzes, greift nicht. Erstens ist das ISAF-Militär überhaupt nicht in der Lage, die zivilen Helfer zu schützen. Zweitens halten die Afghanen Helfer unter militärischem Schutz nicht für neutral, sondern für einen Teil der militärischen Intervention. NGOs und Entwicklungshelfer sehen sich deshalb durch Militär eher gefährdet als gefördert. Viele Hilfsorganisationen wollen mit NATO und Bundeswehr lieber nicht soviel zu tun haben.

 

Die Ärzte ohne Grenzen haben sich bereits 2004 nach dem Mord an 5 ihrer Mitarbeiter nach  aus Afghanistan zurückgezogen. Zuvor waren sie 24 Jahre (!) im Land präsent. In ihrer Presseerklärung betonen sie: „Die Gewalt gegen humanitäre Helfer spielt sich vor dem Hintergrund einer zunehmenden Instrumentalisierung der Hilfe durch die US-geführte Koalition in Afghanistan ab. Ärzte ohne Grenzen zufolge missbrauchen die Koalitionsstreitkräfte die Hilfe beständig für ihre militärischen und politischen Ziele und versuchen damit, die „hearts and minds“ der afghanischen Bevölkerung zu gewinnen. Dadurch wird humanitäre Hilfe nicht mehr als unparteilich und neutral angesehen. Dies wiederum gefährdet die Helfer und die Hilfe selbst.“ [97]

 

Beispielsweise erklärt der Landeskoordinator der Malteser International, Wolfgang Herdt: „Wir betonen, dass unsere Mittel aus Deutschland kommen.“ Gleichzeitig grenzt er sich allerdings ab: „Dies sei aber nur in Gebieten sinnvoll, in denen keine deutschen Soldaten aktiv seien.“ (!!!) Entsprechend berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Unabhängigkeit vom Militär ist nach Ansicht vieler Helfer, die in ländlichen Gebieten arbeiten, eine Voraussetzung für ihre Sicherheit. So gibt es Berichte, wonach ihre Mitarbeiter von Rebellen nach Unterlagen durchsucht wurden, die auf eine Kooperation mit dem Militär hinweisen.“ (Zitate Frankfurter Allgemeine Zeitung 6.8.2007)

 

Der Generalsekretär der Welthungerhilfe, H.-J. Preuß, beklagte bereits 2005, dass die Bundeswehr Fahrzeuge verwenden würde, die denen seiner Organisation zum Verwechseln ähnlich seien: „Unsere Sicherheit hängt davon ab, dass wir vom Militär unterschieden werden können. Aber so werden wir zum potentiellen Angriffsziel…“ (www.tagesspiegel.de/politik/International;art123,1785336) 2007 wurden bereits zwei Mitarbeiter der Organisation getötet. Preuß konstatierte: „Die Bevölkerung und bewaffnete Kräfte können nicht mehr zwischen Militär und Zivilisten unterscheiden, Hilfsorganisationen geraten ins Fadenkreuz.“ (www.welthungerhilfe.de/trennung_militaer.html)

 

Das Komitee für Grundrechte und Demokratie gibt in einem Afghanistan-Flugblatt folgenden Hinweis: „Die deutschen ISAF-SoldatInnen haben zu etwa 80% keine Berührung mit der Bevölkerung und lernen das Land nicht kennen. Nach einer Untersuchung von Sozialwissenschaftlern der Bundeswehr halten sich diese zu etwa 80% während ihrer 4- bis 6-monatigen Dienstzeit nur in den Lagern der Bundeswehr auf und sichern dort ihre eigene Sicherheit. Afghanistan erleben sie nur auf dem Weg vom Flugplatz in ihr Lager und wieder zurück. Nur 10% der SoldatInnen gehen auf Streife. Für einen Weg aus der Sackgasse und zu einer friedlichen Entwicklung ist also von ihnen nichts zu erwarten.“

 

Rupert Neudeck, Leiter der Hilfsorganisation „Grünhelme“, beschreibt diese Problematik im Deutschlandradio vom 16.8.07 so: „Ich kenne deutsche Bundeswehrsoldaten, die als Reservisten nach Afghanistan gegangen sind, die nach vier Monaten zurückkommen und nicht einen Afghanen in freier Wildbahn, also auf der Straße, je getroffen haben, weil sie immer in der Kaserne sind… Ich glaube, der normale deutsche Zuhörer und Zuschauer geht davon aus, dass wir überall da, wo

wir als Hilfsorganisation tätig sind, irgendwie von Bewaffneten begleitet sind. Das ist ein völliger Unfug. Wir sind überhaupt nicht begleitet von Bewaffneten. Wir haben in der Provinz Herat – das ist im Westen Afghanistans – eine riesengroße italienische ISAF-Truppe, über 2.000 Leute. Die sitzen völlig verbarrikadiert in einer riesengroßen Kaserne, in einer Festung, in die niemand hinein kommen kann, aus der die auch gar nicht heraus kommen. Das heißt, in die Dörfer, wo wir die Schulen bauen, kommen die niemals hin. Das muss man einfach wissen.“

 

Der flächendeckende „Schutz der Mädchenschulen“ ist also mit dem gegenwärtigen in Afghanistan eingesetzten Militär gar nicht möglich. Eine flächendeckende Präsenz setzt eine erhebliche Ausweitung der NATO Truppen voraus.

 

 

Frage 22:

Vielfach wird der Einsatz der Bundeswehr damit begründet, sie diene dazu, die Rechte der Frauen in der Islamischen Republik Afghanistan zu schützen. Wie steht es um die Rechte der Frauen in Afghanistan?

 

Afghanistan ist eines der Länder der Welt mit den schlimmsten Lebensbedingungen für Frauen der Welt. Die Lebenserwartung von Frauen liegt in Afghanistan unter der von Männern – auch ohne Berücksichtigung von Kriegstoten. Die UNAMA, die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan hat am 8. Juli 2009 einen Bericht über die Situation von Frauen in der Islamischen Republik Afghanistan vorgelegt. [98] Frauen und Mädchen sind danach faktisch kaum vor Vergewaltigung geschützt. Vergewaltiger müssen kaum Bestrafung fürchten, zum Teil weil sie als Gefolgsleute der örtlichen Machthaber, den Verbündeten der NATO, keine Bestrafung fürchten müssen: Wörtlich heißt es in dem UN Bericht:“In the northern region for example, 39 percent of the cases analyzed by UNAMA Human Rights, found that perpetrators were directly linked to power brokers who are, effectively, above the law and enjoy immunity from arrest as well as immunity from social condemnation”. Mariam Rawi bezeichnete dies in der englichen Zeitung “Guardian” als “Herrschaft der Vergewaltiger” [99] .

 

 

Frage 23:

Wäre der Bundeswehr-Abzug ein deutscher Sonderweg? Würde Deutschland dadurch nicht im Westen isoliert?

 

Nein, das wäre nicht der Fall. Denn nicht nur in Deutschland, sondern auch in den meisten anderen NATO-Ländern sind die Bevölkerungen gegen den Afghanistan-Krieg – auch wenn das die Regierenden bisher wenig schert. Allerdings haben sowohl das niederländische wie auch das kanadische Parlament Beschlüsse gefasst, dass sie ihr Kriegsengagement beenden und ihre Soldaten abziehen wollen, wenn auch erst 2010 bzw. 2011. In den Niederlanden überstimmte das Parlament dabei die Regierung [100] . In Britannien sind 52% der Bevölkerung für den Abzug der britischen Truppen [101] , selbst in den USA sprachen sich bei einer CNN-Umfrage im August 2009 54% gegen den Afghanistan-Krieg aus [102] . In Italien gibt es selbst in der Regierung Berlusconi Stimmen für einen Abzug aus Afghanistan. Insofern würde ein Abzug der Bundeswehr das Ansehen Deutschlands in der Welt mehren. Außerdem würden die Friedensbewegungen in den anderen westlichen Ländern durch solch einen Schritt Rückenwind erhalten.

 

Unter deutschem Sonderweg verstand man in der Vergangenheit nationalistische deutsche Kriegspolitik. In den letzten 20 Jahren ist es – gerade auch in der innergrünen Diskussion – modern geworden, deutsche FriedenspolitikerInnen und Gruppen, die exakt das Gegenteil vertreten, mit „Sonderweg“-Vorhaltungen zu diffamieren. Kriege werden generell nicht besser dadurch, dass sie im Team statt allein von einem Staat geführt werden.

 

Der Abzug der Bundeswehr hätte aber auch noch anderen Konsequenzen. Zunächst würde sich das politische Gewicht Deutschlands in der Region verringern. Deutschland ist einer der größten Truppensteller im Rahmen von ISAF und leitet aus diesem Umstand seinen Anspruch auf Mitsprache in der NATO ab. Ferner unterhält Deutschland in Usbekistan einen Militärstützpunkt, der gleichfalls aufzugeben wäre.

 

 

Frage: 24

Wenn die NATO in den nächsten Monaten aus Afghanistan abzöge, bräche dann in Afghanistan nicht das Chaos aus und die Taliban kämen wieder die Macht? Würden wir mit dem Abzug nicht die Afghanen im Stich lassen? Wäre ein Abzug nicht ein Verrat an den mit uns verbündeten Afghanen?

 

Der Abzug hat natürlich auch Auswirkungen auf den Konflikt in Afghanistan. Wir sollten aber nicht die Augen davor verschließen, dass schon jetzt in Afghanistan Bürgerkrieg herrscht. Auf der einen Seite stehen die Verbündeten der NATO, insbesondere die Mudschahedin der ehemaligen „Nordallianz“ und die Regierung Karsai, auf der anderen Seite ein Spektrum aus folgenden drei Gruppen: die Quetta Shura Taliban, das Haqqani Netzwerk und die Gruppierung Heszb-e Islami Gulbuddin, die „ihre Aktivitäten lose koordinieren“ [103] .

 

Die Anschläge der Aufständischen richten sich nicht nur gegen die ausländischen Truppen, die als Besatzer wahrgenommen werden, sondern auch gegen das Karsai-Militär und die Karsai-Polizei, die als Repressionskräfte wahrgenommen werden.

 

Deswegen ist die Alternative bzw. das Dilemma, ob der Bürgerkrieg mit oder ohne NATO-Beteiligung stattfindet. Dass internationale Truppen den Sieg für eine bevorzugte Seite herbeiführen können, haben die Sowjets in den 80er Jahren auch angenommen. Sie sind gescheitert. Der militärischen Allmachtsphantasie, den Konflikt mit militärischen Mitteln lösen zu können, sollten wir nicht erliegen. Eine Allmachtsfantasie, die bereits der militärischen Intervention der USA 2001 zu Grunde lag. Ein paar „Steinzeit-Islamisten“ von den Taliban verjagen – und schon kehrt Frieden ein, so die damalige Kalkulation. Nicht gestellt hat man sich beispielsweise die Frage, wie es den Taliban gelingen konnte die Mudschahedin beinahe zu besiegen. Es ist eine unzulässige Vereinfachung, dies allein ausländischen Geheimdiensten wie etwa dem Pakistans, der die Taliban unterstützt hat, zuzuschreiben und innerafghanische Ursachen völlig außer betracht zu lassen. Heute zeigt sich in der Stärke des Aufstandes, dass man es sich mit der schlichten Trennung: hier das friedliebende afghanische Volk, das die NATO freudig begrüßt, dort die terroristischen Taliban etwas leicht gemacht hat.

 

Üblicherweise wird davon ausgegangen, dass die westlichen Truppen in Afghanistan Teil der Lösung seien. Der Beweis dafür steht jedoch aus. Die Vorstellung, dass die westlichen Truppen (inklusive der Bundeswehr) quasi „neutrale Peacekeeping-Verbände“ bzw. „zu Gast bei Freunden“ seien, entbehrt jeder Realität. Sie sind Partei. Es ist andersherum militärische Allmachtsfantasie zu glauben, dass der Abzug von Militär automatisch eine Verschlechterung der Situation herbeiführen würde. Warum sollte das so sein? Die Hilfsorganisationen könnten z.B. besser Hilfe leisten, wenn ihre weißen Fahrzeuge nicht mehr mit ähnlich ausgestatteten Militärfahrzeugen verwechselt werden könnten.

 

Auch der jüngst zurückgetretene Politische Offizier im Diplomatischen Dienst der USA, Matthew Hoh unterstreicht in seinem Rücktrittsschreiben die kontraproduktive Wirkung des westlichen Militärs: „Die Anwesenheit von Militärtruppen der Vereinigten Staaten trägt erheblich zur Legitimierung des Aufstands bei und verstärkt dessen strategische Botschaft. Unsere Unterstützung der afghanischen Regierung hilft, die Kluft zwischen Regierung und Volk zu vertiefen.“ [104]

 

Mit dem Abzug der Truppen ist natürlich nicht jedes Problem in Afghanistan gelöst. Aber es wäre ein Anfang. Denn wir gehen davon aus, dass die westlichen Truppen (OEF und ISAF!) Teil des Problems und nicht der Lösung sind. Deswegen gelingt eine politische Lösung eher, wenn die Truppen (kurzfristig, nicht erst in 10 Jahren) abziehen.

 

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer unterstreicht diesen Punkt: „Der Sprecher der Taliban, Mullah Nasrat, hat mir gegenüber im August erklärt, die Taliban seien bereit, nach einem Abzug der US-Truppen alle Angriffe einzustellen, das Ergebnis freier Wahlen anzuerkennen und dem Schulbesuch von Mädchen zuzustimmen. Talibanchef Mullah Omar hat diese Aussage bestätigt. Wenn nur 50 Prozent davon ernst gemeint sind, lohnt es sich, mit den Taliban zu verhandeln – hart und illusionslos. So wie die USA mit dem Vietcong verhandelten, um den Vietnamkrieg zu beenden.“ [105]

 

Als die sowjetischen Truppen 1989 das Land verließen, haben die Meisten geglaubt, dass der damalige afghanische Präsident Nadjabullah innerhalb von Tagen die Macht verlieren würde. Er regierte jedoch noch vier Jahre. In vielen afghanischen Amtsstuben hängt noch heute sein Porträt. Das zeigt, wie vorsichtig man mit politischen Vorhersagen in Afghanistan sein muss.

 

 

Frage 25:

Im Jahre 2008 wurde von Verhandlungen der Karsai-Regierung mit den Aufständischen berichtet. Was hat es damit auf sich?

 

Es gibt in der Tat seit einiger Zeit Verhandlungen zwischen den Aufständischen und der Karsai-Regierung unter saudi-arabischer Vermittlung. Beteiligt sind nicht nur „gemäßigte“ Taliban, sondern auch Abgesandte des früheren afghanischen Machthabers, Taliban-Führer Omar [106] . Die inhaltlichen Unterschiede stehen dabei vermutlich einer Lösung weniger im Wege als die Stationierung der zahlreichen westlichen Truppen.

 

Faheem Dashty, Chefredakteur der unabhängigen Zeitung “Kabul Weekly”, ein früherer Mitarbeiter von Ahmed Shah  Masoud, der am 9.9.2001 einem Al Kaida Attentat zum Opfer fiel, weist darauf hin, dass inzwischen schon Teile der Islamistischen Gruppe von Hekmatyar in die Regierung Karsai integriert sind: “Die meisten Schlüsselmitglieder der Hekmatyar-Gruzppe sind bereits in der Regierung gelandet. Der Kultur- und Informationsminister ist einer von ihnen. Der Generalstaatsanwalt in ein anderes Mitglied der hekmatyar-islamisten. Elf Provinzgourvaneure stammen aus der Hekmatyar-Islamisten-Partei. Das ist dieselbe Partei, die mit den Taliban verbündet ist und gegen die regierungstruppen und ihre internationalen verbündeten kämpfen. (…) Nach der Zeit der Mudschaheddin und der Taliban entwickelt sich in Afghanistan zur Zeit die dritte Art des Fundamentalismus.” Und alle drei Varianten, saft Dashty sarkastisch, seien vom Westen gefördert worden. “Oder genauer: die letzte wird es gerade.” [107]

 

Inzwischen wird gemutmaßt, dass die US-Regierung auf das pakistanische Militär als Vermittler setzen könnte. [108]

 

 

Frage 26:

Wenn die NATO abzieht, entstehen dann nicht in Afghanistan wieder Terrorlager der Al-Kaida?

 

Niemand Geringeres als der US-Vizepräsident Joseph Biden geht davon aus, dass „das Terrornetz Al Quaida in Afghanistan faktisch geschlagen sei, während die Taliban keine Gefahr für die Stabilität der Region über die Grenzen Afghanistans hinaus darstellten“ [109] . Ihm sekundiert Obamas Sicherheitsberater Jones; er behauptet: „Die Zahl ihrer Kämpfer betrage keine 100 Mann.“

 

Die Taliban-Regierung hatte nach dem 11.9.2001 übrigens die Auslieferung Bin Laden durchaus angeboten, allerdings war sie nicht zu einer Auslieferung an die USA bereit. Stattdessen wünschte sie ein internationales Gericht und verlangte von der US-Regierung Beweise, die diese selbstverständlich nicht bereit war zu liefern. [110]

 

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Todenhöfer hält die Rückkehr von El Kaida nach Afghanistan für höchst unwahrscheinlich: „Die US-Regierung musste zugeben, dass sich „El Kaida gar nicht mehr in Afghanistan aufhält“. Das Problem sei, dass El Kaida nach einer Machtübernahme der Taliban zurückkommen könne (Hillary Clinton). Dieses auch von Guido Westerwelle verwendete Argument ist besonders abenteuerlich. Mit seiner Hilfe könnte man viele Kriege führen – in Saudi-Arabien, Somalia, Jemen, Pakistan, Iran, Russland, Usbekistan usw. Es wäre ein Blankoscheck für Präventivkriege gegen alle Länder, in die El Kaida demnächst fliehen könnte.

Doch der globale Terrorismus wird nicht mehr in die afghanischen Berge zurückkehren. Jede Höhle ist dort ausgekundschaftet und durch Satelliten und Drohnen überwacht. Er hat sich dezentralisiert und globalisiert. Er braucht keine Zentrale mehr. Afghanistan war gestern.“ [111]

 

Der US-Militärstratege Biddle glaubt, dass Al-Kaida eher anderswo Zuflucht suchen würde: „Tatsächlich könnten sogar viele dieser Staaten, besonders der Irak und Pakistan, Al-Kaida einen besseren Zufluchtsort bieten als es in Afghanistan der Fall wäre. Denn diese beiden Staaten sind reicher und verfügen über eine weitaus bessere Infrastruktur als das rückständige Afghanistan.“ [112]

 

 

Frage 27:

Worin unterschied sich die GRÜNE Afghanistan-Politik eigentlich von der der Großen Koalition?

 

Das am 5.September 2007 vom Bundeskabinett beschlossene Afghanistan-Konzept setzte die gleichen Akzente wie die diversen GRÜNEN Beschlüsse und Erklärungen, die von der Bundesregierung einen Strategiewechsel einforderten: „Für die Bundesregierung bleiben weiterhin der zivile Wiederaufbau und die Entwicklung im Zentrum ihres Engagements.“ Die Militärpräsenz „kann dann beendet werden, wenn der Aufbau von afghanischer Polizei und Armee so weit vorangeschritten ist, dass die afghanische Regierung selbst für ein sicheres Umfeld sorgen kann, das Wiederaufbau und nachhaltige Entwicklung erlaubt.“ [113] Auf ihrem Göttinger Sonderparteitag beschlossen die GRÜNEN 2007: „So lange zum Aufbau von Polizei und Infrastrukturen noch eine militärische Absicherung erforderlich ist und so lange diese nicht vom afghanischen Militär bzw. der afghanischen Polizei gewährleistet werden kann, so lange ist der Abzug der deutscher Bundeswehreinheiten nicht vertretbar.“ [114]

 

Die Bundesregierung erhöhte gemäß ihres Konzeptes die Mittel für den zivilen Aufbau für 2008 von 100 Mio. € auf 125 Mio. €. Das war erheblich mehr, als die rotgrüne Regierung in diesen Bereich investierte. Es war also keineswegs so, dass nach dem Regierungswechsel 2005 hier Mittel gekürzt worden wären. Vor diesem Hintergrund war es natürlich etwas übertrieben, wenn man Konzepte, die den ISAF-Einsatz fortsetzen wollten, als „Strategiewechsel“ anbot.

 

Da die Große Koalition in Kontinuität der rot-grünen Außenpolitik stand, war nicht verwunderlich, dass die Unterschiede nicht so groß waren. Auch OEF wurde bis Herbst 2006 von den GRÜNEN unterstützt, schließlich hatten die GRÜNEN diesen Einsatz 2001 selbst mit auf den Weg gebracht. Noch im Jahre 2005 verteidigte Winni Nachwei im Bundestag eine Verlängerung des OEF Mandats, denn die Konsequenz eines Endes des Bundestagsmandats für OEF sei „ganz eindeutig und klar: volle Bewegungs und Anschlagsfreiheit für die Taliban- und andere Terrorgruppen und Zerstörung des UN-mandatierten Stabilisierungsprozesses, schon schwierig genug ist. (..) Ohne Enduring Freedom keine ISAF, Stabilisierungschance für Afghanistan. [115]

 

2007 sah Winni Nachtwei in dem Einsatz der OEF „ein Nachwuchsförderprogramm für die Taliban“ [116] Da auch viele SozialdemokratInnen an OEF herumnörgelten, löste der Bundestag das Problem 2008 elegant: Er verlängerte das OEF-Mandat, sah darin aber keine Stationierung von Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan mehr vor; allerdings werden weiterhin im Rahmen von OEF Marinesoldaten am Horn von Afrika eingesetzt.

 

Bei der Abstimmung über den AWACS-Einsatz im Juli 2009 stimmte die Mehrheit der GRÜNEN Bundestagsfraktion mit der Regierung. Als am 8.September 2009 im Bundestag über den von der Bundeswehr initiierten Luftangriff auf die Tanklastwagen debattiert wurde, stellte sich die GRÜNE Fraktionsspitze einmal hinter den ISAF-Einsatz. Jürgen Trittin kritisierte lautstark die miserable Kommunikation des Bundesverteidigungsministers, da man so die Akzeptanz der Bevölkerung für den Einsatz schwerer erreichen würde: „Vertuschen, leugnen und, wenn es gar nicht anders geht, sich für das entschuldigen, was man vorher bestritten hat. Diese Haltung macht die Akzeptanz dieses Einsatzes in der Bevölkerung, in diesem Deutschen Bundestag so unerträglich schwer. Sie sind heute zu einer Belastung für die deutsche Afghanistan-Politik geworden.“ Der Bundeskanzlerin warf er vor: „Sie mussten vor Jahren von uns dazu getrieben werden, endlich einmal unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan zu besuchen. Ehrlich gesagt: Das ist beschämend. [117] Insofern herrschte zwischen Bundesregierung und GRÜNER Fraktionsmehrheit in den Zeiten der Großen Koalition Einigkeit im Grundsatz und in der Sache, nur hier und da Dissens in der PR-Strategie.

 

 

Frage 28:

Und wo liegen die Unterschiede zwischen den GRÜNEN und der neuen Schwarz-Gelben Regierung? Im Beschluss der Rostocker BDK vom Oktober 2009 hieß es doch auch: „Für die künftige schwarz-gelbe Regierung hat die FDP sich in den vergangenen Monaten bereits zur Wortführerin eines offensiveren militärischen Vorgehens der Bundeswehr gemacht.“ Da müsste es doch jetzt mehr Differenzen geben als zu Zeiten der Großen Koalition, oder?

 

Bedauerlicherweise ist das nicht der Fall. In der Substanz ziehen Guttenberg, die FDP und auch die GRÜNE Fraktionsmehrheit weiter an einem Strang. Niemand will den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr beenden. Selbst die Wortwahl ist identisch: Der GRÜNE Abgeordnete Frithjof Schmidt erklärte am 27.11.2009 im Bundestag: „Die Sicherheitslage hat sich allerdings deutlich verschlechtert, gerade im Einsatzgebiet der Bundeswehr. Daher muss man von kriegsähnlichen Zuständen sprechen.“ [118] Anfang November 2009 hatte Guttenberg geäußert, in Afghanistan sei die Bundeswehr mit „kriegsähnlichen Zuständen“ konfrontiert [119] , und sich damit von seinem Vorgänger Jung abgesetzt.

 

Dass die FDP eine besondere Scharfmacher-Partei beim Afghanistan-Einsatz sein soll, wird von keinen Tatsachen gestützt. Der GRÜNE Beschluss ist in Hinblick auf die FDP wohl eher ein allgemeiner Oppositionsreflex. Z.B. beharrte am 25.11.09 die FDP sogar darauf, dass es keine Aufstockung des Bundeswehr-Kontingents geben solle [120] . Die GRÜNEN hatten in dem nämlichen Beschluss der Rostocker BDK „eine Aufstockung des Bundeswehrkontingents“ für „nicht verantwortbar“ erklärt. 2003 stimmte übrigens die FDP gegen die Stationierung der Bundeswehr in Nordafghanistan. Der FDP-Abgeordnete Hoyer begründete damals die Ablehnung. Der SPIEGEL berichtete: „Außenminister Joschka Fischer (Grüne) griff die FDP scharf an, die wegen der weiter bestehenden Bedenken mit Nein stimmte. Fischer sagte, die Haltung der FDP bedeute in der Folge den nicht verantwortbaren Rückzug aus Afghanistan.“ [121]

 

Die Rostocker BDK schloss auch kurz- und mittelfristig einen Abzug aus Afghanistan aus. Dass man andererseits prinzipiell nicht ewig in Afghanistan bleiben will, sagt auch Minister Guttenberg. So gesehen setzt sich in der Afghanistan-Politik die superbreite Südafrika-Koalition aus CDU/CSU, FDP, SPD und GRÜNEN fort. Zum Glück gibt es aber in allen Parteien zumindest einzelne Gegenstimmen, sogar in der CDU/CSU; der ehemalige Staatssekretär im Verteidigungsministerium Willy Wimmer fordert schon länger einen einseitigen Rückzug des deutschen Kontingents [122] .

 

Der einzige Dissens ist zur Zeit die Bewertung des Bombenangriffs in Kundus bzw. der kommunikative Umgang damit. Das hat inzwischen sogar zum Ausscheiden Minister Jungs aus der Bundesregierung geführt. Die Mehrheit der GRÜNEN Bundestagsfraktion hält den Angriff für nicht gerechtfertigt, wobei offen bleibt, ob generell auf Luftangriffe verzichtet werden soll – vermutlich aber wohl nicht. Verteidigungsminister Guttenberg hält den Angriff dagegen im Nachhinein für notwendig: „Selbst wenn es keine Verfahrensfehler gegeben hätte, hätte es zu dem Luftschlag kommen müssen.“ (6.11.2009) [123]

 

Vielleicht werden jedoch bei der nächsten Bundestagsentscheidung über den Afghanistan-Einsatz im Februar 2010 Risse zwischen den GRÜNEN und der aktuellen Bundesregierung sichtbarer. Denn dann wird es um mehr Soldaten für den Afghanistan-Krieg gehen.

 

 

Frage 29:

Im Bundestag gab es bisher immer klare Mehrheiten für die Afghanistan-Militäreinsätze. Inwieweit spiegelt das Parlament wider, was die Bevölkerung denkt?

 

In der Bevölkerung gibt es seit Jahren keine Mehrheit für den Afghanistan-Krieg. Je nach Fragestellung lehnen in den Umfragen bis zu 2/3 der Deutschen diesen Krieg ab und wünschen ein Ende des Einsatzes.

 

Solange die Mehrheit nur diese Meinung hat, aber sich nicht gegen den Krieg engagiert, ist es natürlich leicht für Regierung und Parlament die Mehrheiten in der Bevölkerung zu ignorieren.

 

Frage 30:

Die Mehrheit der Bevölkerung lehnt den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ab. Wie kommt es, dass es trotzdem keine breite außerparlamentarische Bewegung gegen den Krieg gibt?

 

Seit vielen Jahren gibt es bei zahlreichen Meinungsumfragen eine Mehrheit in der Bevölkerung gegen die Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan [124] .  In dieser ablehnenden Haltung drücken sich zum Teil die fürchterlichen Erfahrungen der älteren Generationen mit Krieg im 2. Weltkrieg aus, die in den Anfangsjahren der Bundesrepublik zu einem breiten Widerstand gegen jede Militarisierung führten und nach wie vor wirksam sind.

 

Allerdings kann man nicht übersehen, dass es der Friedensbewegung trotz der mehrheitlichen Ablehnung des Krieges nicht gelungen ist, bei der außerparlamentarischen Mobilisierung etwa an die Friedensbewegung der 80er Jahre anzuknüpfen, obwohl Deutschland mitten in einem blutigen Krieg steht. Ein wichtiger Faktor war vor 25 Jahren, dass Viele Deutschland bzw. sich selbst als potentielles Opfer (eines Atomkrieges) sahen. Heute ist Deutschland nicht in der „Opferrolle“, sondern führt den Krieg aktiv selbst.

 

Mit der Ablehnung des Krieges durch die Mehrheit der Bevölkerung geht eine Distanziertheit der Politik gegenüber dem Militäreinsatz in Afghanistan einher. Die Bundeskanzlerin möchte mit dem Krieg nicht so gerne zusammengebracht werden. Werbung für den Krieg macht die Bundesregierung nicht, niemand, außer der „Linken“ glaubt, mit dem Krieg Wahlen  gewinnen zu können – anders als etwa Thatcher in Britannien während des Falklandkrieges 1982 oder Bush während des Irakkrieges 2003. Stichworte für die Beschreibung dieser Haltung gab jüngst Verteidigungsminister Guttenberg, „das Thema Afghanistan“ solle „gegenüber der Bevölkerung und den deutschen Soldaten“ nicht mehr „verdruckst und verschwurbelt“ dargestellt werden [125] Ganz ähnlich hat Jürgen Trittin als Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag die Haltung der Bundesregierung kritisiert [126] : „Überhaupt, liebe Frau Merkel, ist Ihr Umgehen mit Afghanistan eigentlich nur mit dem Wörtchen „verdruckst“ zu beschreiben. Trotz dieses schwersten Zwischenfalls, den es gegeben hat, mussten Sie von der Opposition zu dieser Regierungserklärung getrieben werden. Sie mussten vor Jahren von uns dazu getrieben werden, endlich einmal unsere Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan zu besuchen. Ehrlich gesagt: Das ist beschämend. Eine offene Haltung hierzu wäre angemessen gewesen.“

 

Doch die von Trittin und Guttenberg beklagte „Verdruckstheit“ der Politik ist keine Frage schlechter PR-Arbeit. In ihr drückt sich das Dilemma einer Politik aus, die einen Kriegseinsatz als friedliches Brunnenbohren erscheinen lassen will und die von „Caveats“, einer langen Liste nationaler „Vorbehalte“, beim Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan geprägt sind. Diese Vorbehalte führten dazu, dass der Einsatz nicht so sehr an den militärischen Notwendigkeiten orientiert ist, sondern vor allem daran, den eigenständigen deutschen Beitrag sichtbar zu machen.

 

Dass der Sinn eines Krieges in einem der ärmsten Länder der Welt in seiner Bedeutung für Deutschlands Rolle und Gewicht in der NATO und gegenüber den USA liegt, das erscheint Vielen kaum nachvollziehbar. Manche Ablehnung dürfte also einem schlichten, „das lohnt sich nicht für Deutschland“ geschuldet sein. Friedenspolitisch darf die mehrheitliche Ablehnung des Krieges deshalb nicht überbewertet werden. Auch kann diese nicht mit einer pazifistischen Haltung gleichgesetzt werden.

 

 

Frage 31:

Die Parteien CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE lehnen mehrheitlich bisher einen kurzfristigen Abzug der Bundeswehr ab. Wie lange soll die Bundeswehr noch in Afghanistan bleiben?

 

Wenn es nach US-Präsident Obama geht, sollen die US-amerikanischen Kampftruppen bis Ende 2017 abgezogen sein [127] . Demnach wäre mit weiteren 8 Kriegsjahren zu rechnen.

 

Als Voraussetzung für den Abzug wird üblicherweise die endgültige Niederschlagung der Taliban, also der militärische Sieg genannt. Zumindest müsse die Karsai-Regierung in die Lage sein, alleine gegen die innerafghanischen Gegner militärisch zu bestehen. Der für den Aufbau der afghanischen Armee zuständige US-amerikanische General Robert W. Cone, weist auf ein entscheidendes Detail hin: „Bis die Luftwaffe aufgebaut ist, … werde es noch bis 2013 dauern. Luftunterstützung ist eine wichtige Fähigkeit für eine Armee, die vor allem der Aufstandsbekämpfung dienen soll.“ [128] Legt man diese optimistischen Planungen zugrunde, würden mindestens bis 2013 NATO-Verbände in Afghanistan stationiert bleiben. Auch der noch gültige GRÜNE Parteitagsbeschluss vom 15.9.07 bietet ein Konzept an, dass die Stationierung der Bundeswehr auf weitere 5 Jahre beinhaltete (= bis 2012). Im September 2009 wartete der damalige Außenminister Steinmeier mit dem Vorschlag einer 5-Jahreszielvereinbarung auf, die der Westen mit der afghanischen Regierung treffen soll. Beginnen soll diese 2010, wenn der bisherige „Afghanistan Compact“ ausläuft. Der Vorschlag darf aber nicht mit der Zusage verwechselt werden, dass dann binnen 5 Jahren, also bis 2015 abgezogen werden soll.

 

Der Chef des britischen Generalstabs, General Sir David Richards, rechnet mit weiteren 30-40 Jahren Krieg [129] . Dann wäre der Abzug eventuell 2050 realisiert. US-Militärstratege Stephen Biddle prognostiziert: „Erfolgreiche Strategien zur Terrorismusbekämpfung benötigen laut Schätzungen durchschnittlich 10-15 Jahre.“ [130] Demnach müsste man sich noch auf lange Jahre Krieg einstellen.

 

Dabei hat die Frage des Abzugsdatums allerdings nicht nur eine Bedeutung im Hinblick auf die Situation in der Islamischen Republik Afghanistan selbst, sondern auch im Hinblick auf die innenpolitische Situation hierzulande. Vordergründig scheint es dabei um eine Frage der “Radikalität” zu gehen, je schneller der Abzug gefordert wird, je kürzer die Frist, desto radikaler die jeweilige Position. Eine solche Betrachtung greift indessen zu kurz. Praktisch geht es darum, ob man der Meinung ist, dass der ISAF Einsatz “an sich” eine gute Sache ist und noch Aufgaben zu erfüllen sind, die vor einem Abzug “zu erledigen”sind. Diese Aufgaben wären je nach Sichtweise die Beseitigung der terroristischen Al-Kaida Gruppen, die Stabilisierung der Islamischen Republik Afghanistan, die Sicherung der Menschenrechte etc.

Wer der Meinung ist, dass in diesem Sinne der ISAF Einsatz notwendig ist, der kann nicht für ein wie auch immer geartetes Abzugsdatum sein, sondern allein für eine Abzugsperspektive”, die einen Abzug an die Voraussetzung knüpft, dass die Gründe für den Einsatz entfallen sind, weil sie entweder verwirklicht wurden oder nicht mehr erreicht werden können. Wer dieser Meinung ist, der kann natürlich auch nicht innenpolitisch gegen den Einsatz auftreten und darauf setzen, in der Bevölkerung den Einsatz zu delegitimieren.

Nach Auffassung der GRÜNEN Friedensinitiative soll der Abzugstermin im 1.Halbjahr 2010 liegen – nachdem der Krieg leider auch 2009 unverändert fortgesetzt wurde. Denn wer die Ziele des ISAF Einsatzes nicht teilt, der kann den Einsatz nur ablehnen und die Frage einer noch vorübergehenden Notwendigkeit des Einsatzes stellt sich nicht. In diesem Sinne ist die Abzugsfrist eine eher technische Frist. Nur eine solche Position ist innenpolitisch mobilisierungsfähig.

 

 

Frage 32: Besorgt nicht der, der den sofortigen Abzug der Bundeswehr fordert, die populistischen Geschäfte von Lafontaine und der Linkspartei?

 

Auf die Ablehnung des Afghanistan-Krieges hat die Linkspartei kein Monopol: Die Mehrheit der Bevölkerung ist dagegen. Im Übrigen gibt es auch innerhalb der Linkspartei wichtige Funktionsträger, die die klare Abzugslinie nicht mittragen; Bodo Ramelow formuliert seine Position so: „Uns geht es nicht um einen sofortigen Abzug. Das wäre wie eine Flucht damals aus Vietnam. Die SPD muss sich klar werden über einen ehrlichen Zeitplan. Untersetzt man den Zeitplan mit mehr Militär, ist das mit uns nicht machbar. Untersetzt man es mit mehr nachweislichem zivilem Engagement und dem stufenweisen Abzug, dann sind wir offen.“ [131] In dieser Position gibt es genauso wenig ein konkretes Abzugsdatum wie bei Steinmeier oder Merkel.

 

Zwar ist bei der Linkspartei unbestritten die riesengroße Mehrheit für einen sofortigen Abzug, aber auch in den anderen Bundestagsparteien gibt es Gegner des Bundeswehreinsatzes. Willy Wimmer (CDU) und Peter Gauweiler (CSU) sind sogar im Frühjahr 2008 vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Wie so häufig zeigt sich, dass die Frage Krieg-Frieden nicht entlang des vertrauten Rechts-Links-Schema einzuordnen ist. Wer den Afghanistan-Krieg beenden will, muss auch mit politischen Kräften zusammen arbeiten, die er bzw. sie nicht so gerne leiden mag oder als Konkurrenten sieht. Die Sache muss im Vordergrund stehen! Das war zur Zeit der Entstehung der GRÜNEN nicht anders: In der Auseinandersetzung um die NATO-„Nach“rüstung Anfang der 80er Jahre arbeiteten die GRÜNEN in der Friedensbewegung mit den unterschiedlichsten Gruppen zusammen.

 

 

Frage 33: Der seinerzeitige Verteidigungsminister von Rotgrün, Struck (SPD), hat darauf hingewiesen, dass Deutschland am Hindukusch verteidigt würde. Insbesondere von den GRÜNEN hört man immer wieder, die Bundeswehr sei in Afghanistan, um den Afghanen zu helfen.

 

Struck hat mit diesen Worten den Anspruch Deutschlands, Truppen in diese Tausende Kilometer entfernte Region zu entsenden begründet und gerechtfertigt. Denn „Verteidigung“ gilt als gutes Recht eines jeden Staates.

 

Der Bundeswehreinsatz in Afghanistan hat von Anfang an eine machtpolitische Begründung, auch wenn davon in der PR-Arbeit wenig die Rede ist.

 

Bei der Beschlussfassung im Bundestag 2001 verknüpfte Bundeskanzler Schröder die Entscheidung mit der Vertrauensfrage, um sich der Unterstützung der Koalitionsfraktionen zu versichern. Weshalb ist die Haltung zu diesem Militäreinsatz von so zentraler politischer Bedeutung?

 

Der ehemalige GRÜNE Außenminister Joschka Fischer geht bei der Einordnung des deutschen Afghanistan-Engagements über die populistische Strucksche Formel „Deutschland wird am Hindukusch verteidigt“ hinaus und ordnet diesen in einen größeren strategischen Kontext ein. Er spannt den Bogen von der deutschen Teilnahme am Afghanistan-Krieg über die EU bis zur Weltordnungspolitik: „Die Entscheidung ‚Deutschland nimmt nicht teil’ würde auch eine Schwächung Europas bedeuten und würde letztendlich bedeuten, dass wir keinen Einfluss auf die Gestaltung einer multilateralen Verantwortungspolitik hätten. Genau darum wird es in den kommenden Jahren gehen.“ [132]

 

Für Fischer stellte sich „mit dem Ende des Kalten Krieges die Frage, was auf dessen bipolare Ordnung folgt. In dieser Ordnung von Jalta waren Licht und Schatten entlang einer sehr gefährlichen Grenze klar verteilt. Als 1989 die Mauer fiel und 1990 die Sowjetunion verschwand, verschwand auch diese Ordnung. Zurück blieben große Fortschritte und Durchbrüche bei der Überwindung lang anhaltender Krisen, die eingebettet waren in den Kalten Krieg [133] .“

 

Daraus ergab sich für ihn die Notwendigkeit, beim Aufbau einer neuen internationalen Ordnung mitzuwirken. Dieses Engagement verstand er selbstredend als „Friedenspolitik“:

 

“Wir reden hier über nichts Geringeres als über den Entwurf einer Friedenspolitik im 21. Jahrhundert. Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges bedeutet Friedenspolitik in der einen Welt im 21. Jahrhundert internationale Ordnungspolitik im Kampf gegen den internationalen Terrorismus. Das heißt, es geht darum, eine Weltordnung zu schaffen, die Zonen der Ordnungslosigkeit oder gar, wie es in weiten Teilen der Fall ist, des völligen politischen Ordnungsverlustes nicht mehr zulässt.

(…)

Eine Weltordnung schaffen, die allen Völkern die Perspektive voller Teilhabe ermöglicht, das klingt zwar sehr ambitioniert, ist aber nur die Konsequenz aus einem erfolgreichen Kampf gegen den Terrorismus. Lassen Sie mich hier unterstreichen: Multilateralismus und nicht Unilateralismus wird die Welt im 21. Jahrhundert zu bestimmen haben. Auch das ist eine wichtige Konsequenz dessen, was wir erlebt haben.

 

(…)

Er bedeutet vor allen Dingen auch, dass wir bei der europäischen Integration vorankommen müssen. Wenn wir getrennt bleiben, werden die Europäer in der neuen Weltordnung marginalisiert.” [134]

 

Es bedarf wohl keines großen Rätselns, durch wen den „Europäern“ die Marginalisierung droht, wer „Unilateralismus“ statt „Multilateralismus“ verfolgt. Wieder sei Joschka Fischer zitiert: „Die Frage ist nun: Was wird aus den Europäern, angesichts der dominanten Rolle der USA? Werden sie zueinander finden? Werden sie also ihr Schicksal selbst bestimmen können, oder werden sie nur nachvollziehen müssen, was anderswo vorgegeben wird? [135]

 

Der Marginalisierung zu entgehen, wenn die USA unilateral die Welt neu ordnen, dies war eines der wesentlichen und offen ausgesprochenen Motive Deutschlands bei der Unterstützung des Afghanistan-Krieges. Deshalb musste und muss nach dem Motto: „das Maß der Mitbestimmung richtet sich nach dem Maß des Mitwirkens [136] Deutschland dabei sein.

 

Nachdem sich Deutschland zum militärischen Mitmachen in Afghanistan entschieden hatte, konstatierte Fischer im Dezember 2001:

 

“Mehr als zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und vor allen Dingen jetzt, nach dem 11. September dieses Jahres, nach den furchtbaren Verbrechen in New York und in Washington, werden langsam die Umrisse der internationalen Ordnung des 21. Jahrhunderts und die Gewichteverteilung sichtbar“ [137]

 

Deutschland hatte sein Gewicht bzw. seine Truppen in die Waagschale geworfen.

 

Insofern ist das militärische Afghanistan-Engagement Deutschlands keineswegs selbstlos und von blankem Humanismus geprägt. Denn die Bündnisdimension war und ist seit vielen Jahren (schon vor Fischers Amtszeit) für die Machtentfaltung deutscher Politik zentral. Ein Zitat aus dem Jahre 1992 mag dies belegen:

 

„Wenn die internationale Rechtsordnung gebrochen wird oder der Frieden gefährdet ist, muss Deutschland auf Anforderung der Völkergemeinschaft auch militärische Solidarbeiträge leisten können. Qualität und Quantität der Beiträge bestimmen den politischen Handlungsspielraum Deutschlands und das Gewicht, mit dem die deutschen Interessen international zur Geltung gebracht werden können.“ [138]

 

Der Friedensforscher und Afghanistan-Experte Conrad Schetter spitzt diesen Aspekt im Friedensgutachten 2007 so zu: „Dass der Stellenwert des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan höher ist als bei den vorangegangenen in Somalia oder auf dem Balkan, liegt vor allem an den deutschen Ambitionen auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Als Voraussetzung hierfür gilt die Übernahme größerer sicherheitspolitischer Verantwortung.“ [139]

 

Mit analogen Motiven kündigte übrigens die französische Regierung im April 2008 700 zusätzliche Soldaten für den Afghanistan-Krieg an. Damit untermauerte Sarkozy „seine Ankündigung, dass Frankreich wieder einen seiner Bedeutung angemessenen Platz im Bündnis einnehmen wolle.“ [140] .

 

Will die deutsche Regierung eine weitere „Amerikanisierung des afghanischen Bürgerkrieges“ [141] verhindern und den eigenen Einfluss stabil halten oder sogar erhöhen, liegt in der Logik der Machtentfaltung deutscher Politik und der Teilnahme an der „internationalen Ordnungspolitik“, dass weitere Bundeswehr-Kontingente und –Waffen nach Afghanistan geschickt werden. So empfehlen es auch Wolfgang Ischinger (Chef der Münchener Sicherheitskonferenz) und Timo Noetzel (SWP):

 

„Die Provinz Kundus ist mit den gegenwärtig verfügbaren Kräften nicht mehr in den Griff zu kriegen. Der von den Taliban geführte Aufstand im deutschen Verantwortungsbereich im Norden breitet sich aus. Mangels Truppen kann Isaf die Bevölkerung kaum schützen. Um Kundus zurückzugewinnen, müssen die militärischen Kräfte deutlich verstärkt werden. Wenn wir in den nächsten Wochen und Monaten keine nachhaltige Anstrengung machen, wird allenfalls eine großangelegte Intervention amerikanischer Truppen die Lage im Norden beruhigen können. Die Folgen hiervon wären ein Reputationsverlust Deutschlands in der Nato, die weitere Amerikanisierung der gesamten Isaf-Operation und ein faktischer Verlust der deutschen Rolle im Norden. Mit anderen Worten: ein Debakel.“ [142]

 

Uli Cremer

Wilhelm Achelpöhler

Hamburg / Münster 2.12.2009

 

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Diese FAQ werden ständig überarbeitet und aktualisiert. Diese Version wurde am 2.12.2009 erstellt. Auf der Homepage der Grünen Friedensinitiative ist die jeweils aktuelle Version abrufbar.

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[1] Da das letzte Mandat 14 Monate galt, das kommende auf 12 Monate ausgelegt ist, muss das bisherige Budget von 688 Mio. € durch 14, das neue durch 12 geteilt werden. Daraus ergeben sich die oben genannten Werte.

[2]   2010 geschätzt auf Grundlage der bisherigen Ankündigungen. Es wird angenommen, dass die 30.000 zusätzlichen US-Soldaten zur Hälfte der ISAF und zur anderen Hälfte der OEF zugeordnet werden. Die zusätzlichen Soldaten der anderen NATO-Staaten dürften die ISAF verstärken.

[3] taz 3.11.2009: „Wahlfälscher wird Präsident“

[4] Aufmacher der taz vom 3.11.2009



[1] Obama: Krieg in Afghanistan nicht zu gewinnen, http://www.mdr.de/nachrichten/6189493.html

[2] http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=87003 – gefunden 30.11.2009

[4] http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5jin59v7_ci05Cs9KtqexpO_1NxKA

[5] . United Nations Assistance Mission to Afghanistan, Human Rights Unit Mid Year Bulletin on Protection of Civilians in Armed Conflict, 2009 Seite 4 http://unama.unmissions.org/Portals/UNAMA/human%20rights/09july31-UNAMA-HUMAN-RIGHTS-CIVILIAN-CASUALTIES-Mid-Year-2009-Bulletin.pdf

[6] http://icasualties.org/oef/

[7] Angabe nach: Verletzter Soldat gestorben, Hamburger Abendblatt 6.10.2009

[9] Angaben der New York Times zitiert nach Süddeutsche Zeitung 28.09.2009 „Allies Doubt Afghan Sacrifices Are Noticed“

[10] Zur Entwicklung über die Jahre, s. Uli Cremer, Neue NATO: die ersten Kriege, Hamburg 2009, S.98

[11] Quellen ebenda; für 2009 NATO-Angaben sowie New York Times

[12] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID7019792_TYP6_THE6760856_NAV_REF1_BAB,00.html

[13] Stephen Biddle: Kein Abzug aus Afghanistan, IP Juli/August 2009, S.94

[14] Reinhard Erös: Mehr Soldaten heißt: Mehr Tote, Gastbeitrag im Tagesspiegel  30.6.2008; http://www.tagesspiegel.de/politik/international/Afghanistan-Isaf;art123,2562636

[15] Stanley McChrystal: Commander’s Initial Assessment 30 August 2009, Annex G: Afghan National Security Force (ANSF) Growth and Acceleration, Page G-1; http://media.washingtonpost.com/wp-srv/politics/documents/Assessment_Redacted_092109.pdf – gefunden 4.10.2009

[16] „Obama appelliert an Alliierte“, FAZ 26.11.2009

[17] „Regierung unterstützt neue Afghanistan-Strategie: Offen für Rüstungslieferungen und für Kooperation auch mit gemäßigten Taliban“, LVZ 19.11.2009

[18] NATO-Angabe laut: http://www.nato.int/isaf/docu/epub/pdf/placemat.pdf – gefunden 4.10.2009

[19] Ebenda

[20] Lühr Henken: USA und NATO: „Auf der ganzen Linie gescheitert“, http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afghanistan/henken2.html

[21] FAZ 21.8.2009

[22] Reinhard Erös: Einer nimmt – einer zahlt, in: Süddeutsche Zeitung Nr.38, 16. Februar 2009 , Seite 2

 

[24] „Guttenberg kündigt in Kundus Verstärkungen an“, FAZ 14.11.2009

[25] Wolfgang Ischinger / Timo Noetzel: Afghanistan darf nicht scheitern, FAZ 12.10.2009

[26] Die Zahl 7.000 wurde in einem Bericht des Deutschlandfunks genannt, s. Tagesspiegel 2.10.2009; auch die FAZ berichtete am 28.9.2009 von „Überlegungen deutscher Militärs“, die Obergrenze nicht nur auf 4.800 zu erhöhen, sondern „gleich auf einen höheren runden Wert“ anzuheben.

[27] „Gezerre um Obergrenze für Soldaten in Afghanistan“, tagesspiegel 15.11.2009

[28] http://www.tagesschau.de/inland/awacs112.html

[29] Vergl. „Regierung unterstützt neue Afghanistan-Strategie: Offen für Rüstungslieferungen und für Kooperation auch mit gemäßigten Taliban“, LVZ 19.11.2009

[30] http://www.freitag.de/2005/46/05460601.php

[31] Resolution 1707 des UN-Sicherheitsrats vom 12.09.2006

[32] Stephan Löwenstein: Den Mückenschwarm sortieren, in FAZ 1.8.2008

[33] www.tagesschau.de/ausland/awacs124.html

[34] .“Assimilation of the eastern region will be more a re-flagging of existing coalition forces, though some new contributions may be offered by other nations during the force generation process.” Das ergibt sich aus dem Einsatzkonzept OPLAN 10302 (Rev.1), der am 04.05.2006 in Kraft trat; Quelle: http://www.folketinget.dk/samling/20051/Beslutningsforslag/B64/spm/8/svar/endeligt/20060123/240488.PDF

[35] FAZ 25.6.2007

[36] http://www.tagesschau.de

[37] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6385802_REF1,00.html

[38] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,470232,00.html

[39] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,,OID6758622_REF1,00.html

[40] http://www.tagesschau.de/aktuell/meldungen/0,1185,OID6717790_REF1_NAV_BAB,00.html

[41] FAZ-Interview „Auch über Panzer nachdenken“, 17.01.2008

[42] Karsai richtet Warnung an Nato, FTD 24.06.2007

[43] http://www.kmweg.de/spezial.php?id=20

[44] http://www.tagesspiegel.de/politik/international/afghanistan/Bundeswehr-Afghanistan;art15872,2457692

[45] http://www.bundeswehr.de/

[46] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afghanistan/henken2.html

[48] „Schneller schießen“, SZ 28.7.2009

[49] Struck, Peter 2003: Rede des Verteidigungsministers im Bundestag, 24.10.2003, Quelle: http://dip.bundestag.de/btp/15/15070.pdf

[50] Bundestagsdrucksache 15/5996

[51] FAZ 7.2.2008: „Jung: Einsatz auch in anderen Regionen Afghanistans möglich“

[52] http://www.tagesspiegel.de/politik/international/Joschka-Fischer-Afghanistan;art123,2524468

[53] Timo Noetzel / Sibylle Scheipers: Flüchten oder Standhalten, in: Internationale Politik September 2007, S.124

[54] FAZ 3.Juni 2009 („Achsenverschiebung am Hindukusch“)

[55] Vergl. Uli Cremer: Neue NATO: die ersten Kriege, Hamburg 2009, S.14 bzw. S.102

[56] »Pakistan macht den Weg frei«, in: SZ vom 5.1.2009

[57] Shahzad, Syed Saleem: Vom Aufstand …, a.a.O., S. 9

[58] Lothar Rühl: Neues im Norden, FAZ 24.11.2009

[59] taz vom 3.9.2008

[60] »Isaf beschießt Ziel in Pakistan«, in: FAZ vom 19.11.2008

[61] „Anschlag auf Indiens Botschaft in Kabul“, FAZ 9.10.2009, S.2

[62] FAZ 16.6.08, „Hunderte Taliban entkommen – Karzai droht Pakistan“

[63] Wulf Schniese: Das wichtigste Friedensprojekt, in: FAZ 25.8.08

[64] Hippler, Jochen: Afghanistan: Kurskorrektur oder Rückzug? Policy Paper 29 der Stiftung Entwicklung und Frieden, September 2008, S. 9; vgl. auch: http://www.hindustantimes.com/StoryPage/FullcoverageStoryPage.aspx?id=1d49fdf5-be33-4a70-aebd-e108b056eca3Pakistanpresidentialpolls_Special&&Headline=Cross-Borderistan

[65] Ebenda

[66] http://www.atimes.com/atimes/South_Asia/JC21Df01.html

[67] FAZ 12.6.08, S.6, „Elf Pakistaner getötet“

[69] http://www.zeit.de/online/2009/14/afghanistan-obama-strategie

[70] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,615766,00.html

[71] http://www.nachtwei.de/index.php/articles/901

[72] NZZ 24.6.2009

[73] http://www.ln.mid.ru/bl.nsf/68043f371cd7f3abc3256def0051fa22/15102123051a1d1e43256ad20051ab9b? OpenDocument

[74] http://www.netzeitung.de/spezial/kampfgegenterror/163165.html

[75] UN-Sicherheitsrat, Resolution 1193 vom 29.08.1998

[76] Abramovici, Pierre: Dubiose Kontakte zwischen Washington und den Taliban, in: Le Monde diplomatique, Januar 2002, S.7f

[77] SWP-Berlin, Hannes Adomeit / Frank Kupferschmidt: Russland und die Nato, März 2008, S.26

[78] FAZ 7.7.2009

[79] http://www.nato.diplo.de/Vertretung/nato/de/06/Gipfelerklaerungen/NatoRusslRat__Seite.html

[80] zitiert nach: FAZ 22.8.2008, S.2, „Afghanistan-Kooperation vorerst nicht betroffen“

[81] FAZ 28.01.2009

[82] Citha Maaß, SWP Berlin: Afghanistan: Staatsaufbau ohne Staat, Februar 2007

[84] Sven Hansen: Letzte Hoffnung Diktatur, taz 13.9.2009

[85] Gespräch mit Matin Baraki in: FREITAG 24.August 2007

[86] http://zmag.de/artikel/die-usa-haben-den-fundamentalismus-nach-afghanistanzuruckgebracht/?searchterm=Malalai%20Dschoja

[87] „Guttenberg erwägt Truppenverstärkung“, FAZ 25.11.2009

[88] Christoph Ehrhardt: Der Patient am Hindukusch, FAZ 10.6.2008

[89] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,647473,00.html

[90] FAZ 8.9.2009 Seite 3

[91] NATO battles backlash after Afghan airstrike

http://news.mobile.msn.com/en-us/articles.aspx?aid=32701467&afid=1&pg1=2501

[92] FAZ 8.9.2009

[93] „Mit den Mudschahedin gegen die Taliban“, FAZ 5.11.2009

[94] .http://www.unodc.org/pdf/research/AFG07_ExSum_web.pdf

[95] Uli Cremer: Neue NATO – neue Kriege?, Hamburg 1998, S.58f.

[96] Quick Impact Projects in Nordost-Afghanistan: Eine Studie im Auftrag des BMVg“ von Jan Koehler und Christoph Zürcher http://media.de.indymedia.org/media/2008/11//234002.pdf

[97] http://www.aerzte-ohne-grenzen.de/Presse/Pressemitteilungen/2004/Pressemitteilung-2004-07-28.php

[98] http://www.unhcr.org/refworld/country,,,,AFG,4562d8cf2,4a548f532,0.html

[99] http://www.guardian.co.uk/world/2004/feb/12/afghanistan.gender

[100] „Niederlande vor Afghanistan-Abzug“, http://www.n24.de/news/newsitem_5496064.html

[103] Unterscheidung gemäß ISAF-Kommandeur McChrystal: Commander’s Initial Assessment 30 August 2009, Unclassified, Page 2-6

[104] Matthew Hoh: „Ich sehe keinen Sinn mehr“, in DIE ZEIT 12.11.2009

[105] Jürgen Todenhöfer: „Der Krieg der Verlierer am Hindukusch“, 7.10.2009 http://www.handelsblatt.com/politik/handelsblatt-kommentar/der-krieg-der-verlierer-am-hindukusch;2465430

[106] s. Uli Cremer: Neue NATO: die ersten Kriege, Hamburg 2009, S.108

[107] Zitiert nach : Marc Thörner, krieg am Hindukusch Die Aktion Heft 214 S. 69

[108] Vergl. Ursula Dunckern: Die Schutzengel der Taliban, der Freitag Nr. 48, 26.11.2009

[109] „Anschlag auf Indiens Botschaft in Kabul“, FAZ 9.10.2009, S.2

[110] Vergl. Hierzu auch: Uli Cremer: Neue NATO: die ersten Kriege, Hamburg 2009, S.80f

[111] Jürgen Todenhöfer: „Der Krieg der Verlierer am Hindukusch“, 7.10.2009 http://www.handelsblatt.com/politik/handelsblatt-kommentar/der-krieg-der-verlierer-am-hindukusch;2465430

[112] Stephen Biddle: Kein Abzug aus Afghanistan, IP Juli/August 2009, S.91

[113] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2007/09/Anlagen/2007-09-05-afg-konzept,property=publicationFile.pdf

[114] http://www.gruene.de/cms/default/dokbin/197/197532.militaerische_eskalation_ist_keine_loesu.pdf

[115] Plenarprotokoll 16/2 Seite 49

[116] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,499907,00.html

[117] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Afghanistan/bt-debatte2.html#6

[118] http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/themen/Bundestag/afgh-debatte-nov09.html#5

[119] „Guttenberg: Kriegsähnliche Zustände in Afghanistan“, FAZ 4.11.2009

[120] „FDP kritisiert Guttenberg“, FAZ 26.11.2009

[121] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,271115,00.html

[123] „Mehr als angemessen“, FAZ 9.11.2009

[124]                 http://www.forschungsgruppewahlen.de/Umfragen_und_Publikationen/Politbarometer/Archiv/Politbarometer_2009/September_II/

http://www.faz.net/s/Rub7FC5BF30C45B402F96E964EF8CE790E1/Doc~E9BD21080E43C450784FF9C0B69237552~ATpl~Ecommon~Scontent.html

Anders eine Bundeswehrstudie aus dem Jahr 2008, die eine ¾ Mehrheit für den Einsatz sieht http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E575854EDCD60407B816AA896ED419DE0~ATpl~Ecommon~Scontent.html

[125]                 http://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E653E89DCF9444B3D9F563349C4DA0751~ATpl~Ecommon~Scontent.html

[126]          Jürgen Trittin Rede am 8.9.2009 http://www.gruene-bundestag.de/cms/archiv/dok/302/302402.afghanistan.html

[127] „Obama will Abzug bis 2017“,  FAZ 27.11.2009

[128] FAZ 29.3.2008, S. 10, „Ein ethnischer Ausgleich“

[129] “Britain’s Afghan role could last „30 to 40 years“”, http://www.reuters.com/article/newsMaps/idUSTRE5765ZQ20090808 – gefunden 12.10.2009

[130] Stephen Biddle: Kein Abzug aus Afghanistan, IP Juli/August 2009, S.94

[132] J. Fischer im Bundestag, 8.11.2001 Plenarprotokoll 14-19

[133] J. Fischer, in: Die Zeit 8.5.2003

[134] Rede von Bundesaußenminister Joschka Fischer vor dem Deutschen Bundestag am 11.10.2001,

http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Infoservice/Presse/Reden/Archiv/2001/011011-FischerDtBundestag.html

[135] J. Fischer, in: Die Zeit 8.5.2003

[136] Karl Lamers, in: FAZ, 27. August 2001

[137] Joschka Fischer Bundestag Rede 12.12.2001

[138] Verteidigungspolitische Richtlinien vom 26.11.1992, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 9/1993, S.1144

[139] Rainer Glassner/Conrad Schetter: Der deutsche Beitrag zum Wiederaufbau Afghanistans seit 2001: Bundeswehreinsatz und ziviles Engagement, in: Friedensgutachten 2007, Berlin 2007

[140] FAZ 4.4.2008: „Ein hochwillkommenes Hilfsangebot aus Frankreich“

[141] Lothar Rühl: Widersprüche einer Mission, FAZ 9.10.2009, S.10

[142] Wolfgang Ischinger / Timo Noetzel: Afghanistan darf nicht scheitern, FAZ 12.10.2009

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