Cem Özdemirs Rechtfertigung des Libyenkrieges auf der BDK

offener Brief von René El Saman

Lieber Cem,

in Deiner Contra-Rede gegen meinen Änderungsantrag (den Libyenkrieg und seine Folgen in das Europawahlprogramm aufzunehmen), hast Du den Libyenkrieg gerechtfertigt.
Dein Hauptargument war, dass Gaddafi im März 2011 ein Massaker an der Bevölkerung Benghazis angekündigt hätte. Um das zu belegen, hast Du stückweise aus Gaddafis Radioansprache vom 17.3.2011 zitiert und den Eindruck erweckt, seine Drohungen hätten sich gegen die Zivilbevölkerung gerichtet.

Genf-2: Ein Brahimi macht noch keinen Mandela

Die politische und ideologische Gemengelage rund um die Genfer Syrienkonferenz

von Uli Cremer (29.01.2014)

Das Horrorszenario des taz-Redakteurs Dominic Johnson ist eingetreten: »die berühmte „Internationale Syrienkonferenz“« tagt seit dem 22.1.2014 in Genf: »Erfahrungsgemäß kostet eine solche Strategie des endlosen Palavers viel mehr Menschenleben als jede andere.« (1) Johnson fordert seit Jahren eine umfassende Militärintervention in Syrien. Und diese scheint momentan in weiter Ferne.

UN-Vermittler Brahimi ist um seine Aufgabe bei der Genfer Syrienkonferenz nicht zu beneiden. Denn ein syrischer Nelson Mandela hat sich immer noch nicht gefunden. (2) Entsprechend gering sind die allgemeinen Erwartungen an die Genf-2-Gespräche; bei Abschluss dieses Artikels sind sie zumindest noch im Gange, wenn auch unterbrochen. Manche halten schon Vereinbarungen über Hilfslieferungen in belagerte Städte bzw. Stadtteile für einen Erfolg. Aber Brahimi „stellte klar, dass er keine humanitäre Konferenz leite, sondern eine politische. Bei den humanitären Fragen gebe es aber eher eine Verhandlungsgrundlage.“ (3) Entsprechend sollen im Folgenden die politische Analyse und die Auseinandersetzung mit politischen Positionen zum Syrienkrieg im Zentrum stehen. Das sind die Themen:

– Das Problem, dass nur die halbe syrische Opposition in Genf am Tisch sitzt.
– Das russische Konzept für Genf-2.
– Das Narrativ, dass die „gemäßigten“ Rebellen international nicht unterstützt wurden.
– Das Narrativ, dass Assad am Erstarken der Islamisten schuld ist.
– Die neuen Indizien aus den USA, dass die Täterschaft für die Giftgasangriffe vom August 2013 weiterhin ungeklärt ist.
– Der humanitäre Falken-Tipp für die US-Verhandlungstaktik: Drohkulisse aufbauen.
– Das Narrativ von den „befreiten Gebieten“.
– Die Mandatsverlängerung des Bundeswehr-Patriots-Einsatzes in der Türkei.

Neue Vision Europäische Armee?

Von Uli Cremer 1. Januar 2014

Die Wahl zum Europäischen Parlament steht vor der Tür. Entsprechend arbeiten die kandidierenden Parteien eifrig an ihren Wahlprogrammen. Auch zur Militärpolitik legen sie ihre Positionen fest. Schließlich ist die EU spätestens seit dem Lissabon-Vertrag 2009 zur Militärmacht geworden. Im vergangenen Jahrzehnt wurden kleinere EU-Militäreinsätze auf dem Balkan und in Afrika durchgeführt. Gerade erst, im Dezember 2013, hat sich ein EU-Gipfel ausgiebig mit der „gemeinsamen Verteidigungspolitik“ beschäftigt, die „ausgebaut“ werden soll.

In Wahlprogrammen werden einerseits praktische politische Projekte unterstützt, andererseits aber auch ideologische Ausrichtungen vorgenommen. In die letzte Kategorie fällt das angestrebte Bekenntnis der GRÜNEN zu der militärpolitischen Vision einer Europäischen Armee. Denn bisher fehlt diese ideologische Festlegung in der GRÜNEN Programmatik. Komplementär dazu sind die praktischen Projekte, mit denen die EU die eigenen militärischen Fähigkeiten stärkt. Diese sind bisher von den GRÜNEN im Wesentlichen mitgetragen worden. Doch als Grundposition galt: „Die Europäische Union soll keine imperiale Militärmacht werden, sondern Zivilmacht bleiben.“ <GRÜNE Frisiko 2008>

Syrienkrieg: Schlechte Aussichten für Genf-2

Von Uli Cremer, 17.November 2013

Der November 2013 verstreicht. Die angekündigten Verhandlungen zur Beilegung des Syrien-Konflikts („Genf-2“) sind bis auf Weiteres verschoben. Der UN-Vermittler Brahimi hofft noch unverdrossen auf einen Termin im Dezember. Aber die Chancen stehen schlecht.

All das ist nicht weiter überraschend und verwunderlich, denn eine Verhandlungslösung kann es nur geben, wenn alle Beteiligten an den Verhandlungen teilnehmen dürfen und wollen bzw. dazu genötigt werden. Das ist jedoch nicht der Fall.

Betrachtet man es einfach, gibt es zwei Konfliktparteien: Das Assad-Regime auf der einen Seite und die Aufständischen, die Assad stürzen wollen, auf der anderen Seite. Kronzeuge für diese einfache Sicht der Dinge ist der britische Außenminister Hague. Auf die Frage „Kann Assad Teil einer Übergangsregierung sein?“ antwortete er: „Nein, denn dafür müssten beide Konfliktparteien zustimmen.“(1) Beide – also zwei Konfliktparteien. Demnach braucht man zwei syrische Verhandlungsdelegationen, für jede Konfliktpartei eine.

US-Strategiewechsel im Syrienkrieg?

US-Strategiewechsel im Syrienkrieg?

von Uli Cremer

Bedeutet der UN-Sicherheitsratbeschluss zu Syrien vom 27.9.2013 nach über 2 ½ Jahren Krieg den Durchbruch zu einer Lösung des Konflikts und ein Ende des Blutvergießens?

»Monate, ja Jahre schon, haben die Diplomaten bei den Vereinten Nationen darauf hingearbeitet, dass sich der Sicherheitsrat, das mächtigste Gremium der Weltorganisation, auf eine Syrien-Resolution verständigt. Damit der Bürgerkrieg mit seinen inzwischen mehr als 100.000 Toten endlich ein Ende nehmen kann. Immer wieder scheiterte das Unterfangen am Widerstand der beiden Vetomächte Russland und China.«[1] So das westliche Narrativ in Sachen Syrien. Russland und China wird angelastet, dass diese partout nicht die westlichen Positionen insbesondere das Mantra „Assad muss weg“ übernehmen wollten.

Giftgaseinsatz in Syrien: Klarheit nach dem UN-Inspektorenbericht?

von Uli Cremer

Am 28.9.2013 verabschiedete der UN-Sicherheitsrats seine Resolution 2118 zu Syrien. Darin hat Russland sich im Wesentlichen durchgesetzt: Erstens wird keine Schuldzuweisung an das Assad-Regime bezüglich des Giftgaseinsatzes am 21.8.2013 vorgenommen. Zweitens wird bei Nichtbefolgen der Resolution der syrischen Regierung nicht mit einem automatischen Militärschlag auf Grundlage eines Kapitel-VII-Mandats gedroht. Dazu müsste ein neuer Beschluss des Sicherheitsrats gefasst werden, die Russland jederzeit verhindern könnte. Anderes wäre aus russischer Sicht auch widersinnig: Moskau geht schließlich davon aus, dass der Giftgaseinsatz von der Rebellenseite zu verantworten ist. Entsprechend unterstreicht der Sicherheitsrat (im Konsens), dass nicht nur die Regierungsseite, sondern auch die Aufständischen, mithin »no party in Syria should use, develop, produce, acquire, stockpile, retain, or transfer chemical weapons«. UN-Sicherheits-Resolution 2118 (2013)

Syrien: Merkel überschreitet rote Linie und US-Regierung wählt sich neuen Sicherheitsrat

Von Uli Cremer

Nein, die Merkel-Regierung hat natürlich kein Giftgas eingesetzt. Doch sie hat – nach anfänglichem Zögern – das „Joint Statement on Syria“ unterstützt. Und stellt man sich das Völkerrecht als rote Linie vor, so hat die Regierung Merkel diese Linie am 7.9.2013 überschritten. Denn die Unterzeichner des besagten Dokuments „unterstützen die Anstrengungen der Vereinigten Staaten und anderer Staaten zur Gewährleistung des Verbots chemischer Waffen“. Das ist nichts Anderes als ein politischer Blankoscheck, ein Vorratsbeschluss für einen militärischen Angriff auf Syrien, ausgeführt von einer US-geführten Koalition der Willigen. Denn einen solchen Angriff hat US-Präsident Obama angekündigt, auch wenn er dazu noch das parlamentarische Votum einholen möchte. Ihr gestörtes Verhältnis zum Völkerrecht hatte Merkel bereits 2003 bei ihrer politischen Unterstützung für den Irakkrieg der Bush-Regierung zu Protokoll gegeben. Ende August 2013 lautete die Position: „Deutschland kann sich an Militäreinsätzen im übrigen nur mit einem Mandat der Vereinten Nationen, der Nato oder der EU beteiligen.“ (Zeitonline 31.8.2013) Da es von keiner der drei Organisationen einen Beschluss gibt, reiht sich Merkel lediglich in eine Koalition der Willigen ein. Denn selbst das EU-Statement von Vilnius enthält keine Passage à la „Anstrengungen der Vereinigten Staaten“ – auch wenn US-Außenminister Kerry es „strong“ nennt. Fehlt nur noch, dass auch noch deutsche Raketen und Bomber angeboten werden.

Giftgaseinsatz in Syrien: die US-„Beweise“ – I am not convinced!

von Uli Cremer

Druckversion mit Fußnoten

Es ist Sonntag, der 1.9.2013. Antikriegskriegstag. Die Welt ist entsetzt über den Einsatz von Giftgas in Syrien und fragt sich, wie mit diesem Verbrechen umzugehen ist. Immerhin hatten UN-Inspekteure inzwischen die Gelegenheit, Untersuchungen am Ort des Geschehens anzustellen. Inzwischen haben sie Syrien verlassen. Ihre Auswertung wird noch einige Tage in Anspruch nehmen.